Sonntagsblatt zur FA-Gründung

„FREUNDE ABRAHAMS“ GRÜNDEN IN MÜNCHEN GESELLSCHAFT

Ziel: Dialog zwischen den Religionen auf wissenschaftlicher Basis

München. „In der Mitte der heiligen Schriften der Bibel und des Korans ruht die Botschaft vom universalen und zugleich allgütigen Gott, der die Menschheit zum gläubigen und friedvollen Miteinander nötigt und ermuntert“. Solche Worte setzt Professor Manfred Görg jenem verzerrenden Klischee vom „biblischen Krieg“ entgegen, der angeblich im Nahen Osten nach der Devise „Auge um Auge“ geführt wird. Professor Görg ist Alttestamentler an der Münchner Uni, Anlass für seine Ausführungen war die Auftaktveranstaltung der neu gegründeten Gesellschaft „Freunde Abrahams e.V.“. Ausgelöst wurde die Neugründung nicht zuletzt durch die brisanten politischen Ereignisse. Ziel der Gesellschaft ist u.a. die Förderung des Dialogs zwischen den Religionen, besonders zwischen Judentum, Christentum und Islam. Und dies auf wissenschaftlicher Basis. Dabei ist – anders als bei vielen schon bestehenden Initiativen – eine fundierte Auseinandersetzung mit der nahöstlichen Religionsgeschichte von zentraler Bedeutung. So kann die Gestalt Abrahams zum Hoffnungsträger werden für eine Begegnung, bei der alle Religionen ihre Identität wahren können.

Daher lag es auch nahe, den Tübinger Theologen Karl-Josef Kuschel, aus dessen Feder das bekannte Buch stammt: „Streit um Abraham: Was Juden, Christen und Muslime trennt – und was sie eint“ (2. Aufl. Düsseldorf 2001) zum Eröffnungsvortrag zu bitten. Natürlich sprach Professor Kuschel auch vom 11. September 2001, doch dann stellte er vor allem erfreulichere Dinge in den Vordergrund, zum Beispiel den historischen besuch des Papstes in der Omaijadenmoschee von Damaskus oder die vom iranischen Präsidenten Chatami gesetzten Zeichen für ein neues Aufeinander-Zugehen.

Muss man nicht verzweifeln angesichts des mörderischen Ringens im Land der Bibel? Professor Kuschel: Notwendig sei radikales Gottvertrauen – allen Vergeblichkeiten zum Trotz. Notwendig sei, sich aufzumachen ohne alle Sicherheiten. Diese Markenzeichen abrahamischer Spiritualität könnten zum stärksten Gegengift gegen den lähmenden Fatalismus werden, sagte er. „Die Geschichten Abrahams in Bibel und Koran sind die beste Zynismusprophylaxe“, sagte der Theologe. Die „Ökumene der Kinder Abrahams“ könne, wenn sie denn funktioniert, den Weltfrieden stabilisieren.

Als erster Vorsitzender der neuen Gesellschaft fungiert Professor Manfred Görg, sein Stellvertreter Stefan Jakob Wimmer ist wissenschaftlicher Assistent und Mitarbeiter am Institut für Ägyptologie der Münchner Universität.

Sonntagsblatt 12.5.2002