ein meditatives Statement von Manfred Görg
vorgetragen beim ‚Friedensgebet der Religionen. Juden, Christen und Muslime beten für den Frieden‘ am 10.02.2008 in München im Rahmen der Internationalen Münchner Friedenskonferenz anlässlich der so genannten ‚Münchner Sicherheitskonferenz‘ vom 08.-10.02.2008
Unsere Alltagssprache hält ein attraktives Bild bereit, wenn sie einen Menschen zeichnen will, der ein gewinnender Typ ist. Wenn sein Auftreten einen freundlichen Eindruck macht, wenn er dazu überzeugend reden und mit einem mitreißenden Mienenspiel aufwarten kann, ein Lächeln sein Gesicht überzieht, das Aktionen des Unfriedens im Keim abbremst, gar nicht erst aufkommen lässt, dann sprechen wir auch von einem ‚entwaffnenden Lächeln‘. Solange es sich um eine unverstellte und glaubwürdige Selbstdarstellung, also nicht um ein ironisches selbstherrliches Amüsieren handelt, kann das Lächeln vielfach hitzige Diskussionen, ja Aggressionen dämpfen, ja eine gespannte Atmosphäre in eine ausgeglichene Stimmungslage überführen, überdies konfrontative Wellenbewegungen in ruhigere Fahrwasser leiten.
Ein ‚entwaffnendes Lächeln‘, geprägt von Nachsicht und verbindlichem Gleichmut, meint nicht Flucht aus der Bereitschaft zu kritischer Auseinandersetzung, ist überdies nicht zu verwechseln mit dem seinerzeit von Henry Miller thematisierten ‚Lächeln am Fuße der Leiter‘, das ‚in Betrachtung verloren‘ und mit dem illusionären Traum dem Los der Vergeblichkeit, ja des eigenen Untergangs behaftet ist. Das ‚entwaffnende Lächeln‘ deutet vielmehr eine wissende, zuweilen gar gläubige Überlegenheit an, die dem Gegenüber die Waffen der Aggressivität aus der Hand nimmt. Plötzlich schwindet die Bereitschaft, einander mit Worten oder mit Taten zu treffen, wehzutun oder gar existenziell zu zermürben.
‚Mit meinem Gott überspringe ich Mauern‘, so lautet ein gern zitiertes Psalmwort (Ps 18,30), das im Bild ein Festhalten an Gott signalisiert und eine Gewissheit widerspiegelt, die mit bloßer Vernunft nicht zu bewerkstelligen ist. Hier braucht es auch keine Leiter oder Treppen, ja auch keine Felsnischen oder Haken im Gebirge, derer sich der Aufstrebende bedienen kann, sondern der umstürzende Glaube, dass da ein Parteigänger ist, der, ohne dass er den Menschen zuvor zu abnormen Kraftanstrengungen nötigt, den, der sich ihm ganz anvertraut, behutsam über die Klippen hilft, seinen Schützling leichtfüßig über Hindernisse springen lässt.
Dies ist der ‚entwaffnende Glaube‘, ein ‚Sich Festmachen in Gott‘, wie die Bibel den Glauben nennt, der ohne Zutrauen in militärische Kraftmeierei oder hartnäckige Sicherungsattitüden oder auch selbstgerechten Friedensaktivismus auskommt, der an die Stelle der risikoreichen Aufrüstung das Umschmieden der Waffen in Werkzeuge des Alltags und der aufbauenden Lebensführung setzt. Ein ‚entwaffnender Glaube‘ an den Gott der Stifter des Lebens, der Menschlichkeit und Gewaltlosigkeit.
Die aktuellen Diskussionen um ein militärisches Engagement der Bundeswehr in Süd-Afghanistan, für die einen eine notwendige Unterstützung in Solidarität vor allem mit der Nato und den USA im Kampf gegen die menschenverachtende Radikalität der Taliban und El-Kaida, für die anderen eine weitere Provokation derer, die den Rundum-Einsatz für den allmählichen Aufbau einer staatlichen Administration fördern wollen, um so der Bevölkerung den einzigen Weg zu zwischenstaatlicher, zwischenmenschlicher und auch interreligiöser Basisarbeit als Friedensbahn zu zeigen und glaubhaft zu vermitteln.
Um der Zukunft willen müssen neben der Unterstützung des Widerstands gegen den Terror Wege der wirtschaftlichen und kulturellen Annäherung probiert werden, die von nachhaltiger Solidarität mit einem geschundenen Volk geprägt sein müssen. Der ‚entwaffnende Glaube‘ ist keine aus Verlegenheit oder Versagen geborene Empfehlung einer Illusion, sondern das Markenzeichen religiösen Vertrauens auf den Schöpfer, der uns alle, so genannte Freunde und so genannte Feinde, ins Leben gerufen hat. Er erinnert uns daran, dass es eben nur diese eine Welt und dieses eine Leben gibt, an dem alle zur Teilhabe berechtigt und erwünscht sind.
Im Interesse der Betroffenen: Gegenüber einer vorwiegend auf das Militär setzenden Truppenideologie und Waffenkonzentration muss es weiterhin ein weithin sichtbares alternatives Zeichen geben, wie es im Norden Afghanistans bereits vor Augen steht. Ich frage mich: Hätte man nicht gestern auf der ‚Friedenskonferenz‘ im Bayrischen Hof zumindest neben dem Soldaten, der wegen seines Einsatzes zur Rettung von Kameraden ostentativ geehrt wurde, auch einen Menschen im ausgesprochenen Friedensdienst im zivilen und sozialen Aufbau des Landes, etwa in der Krankenversorgung oder in den Bildungseinrichtungen exemplarisch ehren können, einen Menschen ohne Waffen und Uniform, der sich ebenfalls mit Gefahren für Leib und Leben einsetzt? Wie viele mögen das sein, ohne dass man ihre Namen kennt?
Im Namen des Vereins der ‚Freunde Abrahams‘ möchte ich eine neue Art von gläubiger Nüchternheit im radikalen Vertrauen auf eine Mitmenschlichkeit empfehlen, die sich an der Gestalt Abrahams ausrichtet, eines Menschen, der mit beiden Beinen in dieser Welt steht und geht, zugleich nach dem aufschaut, der seinen Glauben auf die Probe stellt. Wenn die so genannten ‚abrahamischen Religionen‘ sich bei aller nicht zu leugnender Divergenz im Detail an dem ‚Vater des Glaubens‘ orientieren, müssen unendlich viel mehr Signale einer überlebenswilligen Kontaktnahme gesetzt werden. Der Glaube an ein zukunftsträchtiges Leben kann nie und nimmer auf bloße Waffengewalt gegründet sein. Letztendlich geht es doch um die eine gültige Zielvorstellung, sich dem Einheit stiftenden Gott für alle selbstlos und füreinander ohne Konditionen anzuvertrauen.
Dafür wollen wir beten und bitten, weil das Gebet die Völker verbindet.