FRÜHJAHR/SOMMER 2025 – Download als pdf
Inhalt
Editorial
Berichte – Notizen – Tipps
Berichte über Veranstaltungen
München und die Welt
In eigener Sache
Gute Nachrichten
Buchtipps
Texte zum Nachdenken – Worte für die Seele
Veranstaltungskalender
EDITORIAL:
Abgründe
Das Thema „Migration“ besorgt uns Deutsche am meisten, darin stimmen alle Umfragen überein. Nicht das Klima – dessen Wandel sicherlich Migrationsbewegungen von noch ungeahnten Ausmaßen bewirken muss, wenn wir nicht endlich sehr viel entschlossenere Maßnahmen dagegen einfordern. Nicht die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich. Nicht die Kriege in der Ukraine, in Israel/Palästina und an vielen anderen Orten. Aber auch nicht, dass weltweit und auch bei uns Strömungen immer mächtiger werden, die doch bei uns Deutschen die schrecklichsten Erinnerungen wachrufen müssten, die man sich vorstellen kann …
Wie ist es zu erklären, wenn Länder immer weiter auf Abgründe zugleiten, die doch deutlich erkennbar sind? Sind es die Autokraten, die Mächtigen, oder die Kapitalisten, die Industriellen, die Waffenproduzenten, oder die Verschwörer im Internet, die das alles steuern?
Nein – damit lenken wir uns von der Wahrheit nur ab! Die Wahrheit ist schlimmer: Schuld daran sind nicht die Trumps, Putins, Netanjahus und Erdogans, sondern ganz normale Menschen wie du und ich, die die Trumps, Putins, Netanjahus, Erdogans oder eben die AfD wählen.
im Februar 2025
Stefan Jakob Wimmer
BERICHTE – NOTIZEN – TIPPS
Berichte über Veranstaltungen
Abrahamisches Friedensgebet
von Gertraud Bracker
Nach dem 7. Oktober 2023 ist auch in München der Dialog der Religionen schwie-riger geworden, und schnell mag ein Wort die Kluft vertiefen.
Wir haben uns deshalb entschlossen, das Friedensgebet der abrahamischen Religionen im Herbst 2024 in ein „Friedenskonzert Hoch Drei“ umzuwandeln, in dem jüdische, christliche und muslimische Gesänge miteinander in Dialog treten. Wir konnten dafür auf gute Erfahrungen beim Tag der Offenen Tür des „Hauses der Kulturen und Religionen München“ in der Nazarethkirche im Sommer 2023 aufbauen.
Verlässlicher Ansprechpartner dafür war uns von Anfang an Herr Laurent Wehrsdorf, der in München persönliche musikalische Kontakte zum jüdischen Kantor Nikola David und zum Muezzin Volkan Türlü geknüpft hatte. Herr Wehrsdorf ist Kirchenmusiker, war damals noch Student an der HMTM und brachte im Konzert mit der „Schola cantorum“ der HMTM gregorianische Gesänge zu Gehör. Herr Türlü ist Muezzin der Haci Bayram Moschee in Pasing und trat mit seinem „Ensemble Tümata“ auf.
Mit Nikola David hätten wir den bekannten Kantor der liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom erleben dürfen, der auch als Opernsänger wirkte. Völlig unfassbar wurde Herr David im August 2024 aus dem Leben gerissen (kein antisemitischer Kontext). Und zurück blieb und bleibt Leere.
Bei uns als Organisatoren stand dann vereinzelt die Überlegung im Raum, das Konzert ganz abzusagen. Aber bald wurde klar, dass das Friedenskonzert trotzdem stattfinden werde und dass Prof. Stefan J. Wimmer einige jüdische Texte, die Kantor David gesungen hätte, im hebräischen Original und auf Deutsch vorlesen wird.
Außerdem widmeten wir das „Friedenskonzert Hoch Drei“ dem verstorbenen jüdischen Kantor, der sich für den interreligiösen Dialog eingesetzt hatte, und bedachten seine Familie mit einer Spende.
Als geeigneten Ort konnten wir die Herz-Jesu-Kirche in Neuhausen finden, in der wir vom Pastoralreferenten Dr. Konstantin Bischoff mit offenem Herzen aufgenommen wurden.
Das Konzert war gut besucht und berührte unsere Seelen. In der unglaublichen Vielfalt des Konzertes durften wir alle erleben, dass im Zusammenklingen „Frieden Hoch Drei“ möglich ist!
Einen wunderbaren Eindruck hinterließ zum Abschied das bewegte Kirchenportal, das sich, ganz allmählich und mächtig groß, auf den Platz hin öffnete – offen für alle.
Berichte zu den Veranstaltungen der Nymphenburger Gespräche
von Karin Hildebrand
„Das glaubst auch (nur) du!“
Am 15.9.2024 fand in der evangelischen Stadtakademie ein interreligiöses Quiz statt. Die Veranstaltung war recht gut besucht, und in lockerer Atmosphäre wurden die zum Teil sehr kniffligen Fragen in interreligiösen Teams beantwortet. Um die Religionen auch sensorisch erlebbar und „schmackhaft“ zu machen, wurden religionstypische Spezialitäten gereicht. Alles in allem ein gelungener Abend, um mit Mitgliedern verschiedener Religionen ins Gespräch zu kommen und sich ein wenig näher kennen zu lernen.
„Kaum loszuwerden? Der lange Schatten des christlichen Judenhasses“
Prof. Dr. Wolfgang Kraus beeindruckte die Zuhörerschaft mit einer ungeheuren Fülle an Informationen zu seinem Thema. Einstieg war die Abbildung eines judenfeindlichen Kriegerdenkmals, das nach dem 2. Weltkrieg umgewidmet und an einen weniger prominenten Standort verbracht wurde. Dies als Beispiel, wie im Laufe der Jahrtausende allein schon mit Begrifflichkeiten wie Antisemitismus und Antijudaismus umgegangen wurde, wie sich deren Definitionen aus der jeweiligen Kontextualisierung verändert haben. Es ist deshalb jeweils essenziell zu klären, in welcher Zeit welche Begriffe welche Inhalte hatten und entsprechend auch heute haben.
Schlusswort: Israel ist Bestandteil des christlichen Selbstverständnisses; die christliche Kirche ist kein Einzelkind.
„Da steht es doch“ Koranauslegung – wie geht das?
Anhand eines Verses der zweiten Sure des Korans zeigte Prof. Dr. Dina El Omari die verschiedenen Perspektiven der Koranauslegung auf. Man kann ihn zum Beispiel geschlechterspezifisch oder als „sowohl als auch“ lesen. Die Auslegung kann klassisch, statisch, ahistorisch oder dynamisch, kommunikativ sein. Es gibt die Möglichkeit, die Essenz aus dem historischen Kontext herauszuarbeiten und im heutigen Kontext weiterzudenken. Dies nur beispielhaft, wie die Auslegung sich über die Zeit verändert, entwickelt hat und es durchaus verschiedene Ansätze, zum Teil auch widerstreitend, gibt, dieses Thema zu behandeln.
Im Anschluss an den sehr spannenden und aufschlussreichen Vortrag fand ein Podiumsgespräch zwischen Dr. Robert Mucha und der Referentin statt, moderiert von Dr. Andreas Renz. Dies zeigte Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Auslegung von Bibel und Koran auf und verhalf, die Fülle der gebotenen Informationen ein wenig besser einzuordnen.
Essenz: Es kann nicht die eine Wahrheit geben!
Mit Abraham in Mekka
von Stefan Jakob Wimmer
Als Freunde Abrahams im Oktober/November 2024 Saudi-Arabien (und Bahrain) bereisten, erlebten wir dort ein von vielen Öffnungen und Veränderungen geprägtes Land: Touristische Reisen sind erst seit 2019 erwünscht. Es gelten keine allgemeinen Bekleidungsvorschriften mehr, und tatsächlich sind Frauen ohne Kopftuch nicht häufig, aber überall auch zu sehen. Seit 2022 ist Nicht-Muslimen der Besuch der heiligen Stadt Medina erlaubt – und so konnte die Freunde-Abrahams-Gruppe die berühmte Quba-Moschee, an deren Standort die erste Moschee überhaupt gegründet worden sein soll, von außen und innen besuchen und bis an die Tore der Prophetenmoschee gelangen – der zweitheiligsten Stätte des Islam. Über dem Grab des Propheten Mohammed erstreckt sich ein riesiger, eindrucksvoller Komplex, dessen Inneres aber nach wie vor Muslimen vorbehalten bleibt.
Das gilt auch für die Stadt Mekka, mit dem noch größeren Komplex der al-Haram-Moschee um die Ka’aba herum, den Mittelpunkt der islamischen Welt. Hier weisen große Schilder an den Autobahnen bei der Zufahrt auf „Muslims only“ hin. Für die Reisegruppe konnte die heiligste Stadt des Islam daher nicht auf dem Programm stehen. Sie war aber ein paar Tage vor Ankunft der Gruppe Ziel für einen kleinen privaten Kreis. Immerhin verknüpft die muslimische Tradition ja den Bau der Ka’aba, und darüber hinaus die Riten des Hadsch, der Pilgerfahrt, sehr eng mit Abraham (arabisch: Ibrahim). Er, so lässt es sich aus dem Koran herauslesen, habe mit seinem Sohn Ismael, dem Erstgeborenen, die Ka’aba erbaut – die freilich erst nach vielen Umbauten, Zerstörungen und Renovierungen ihre heutige Gestalt erhalten hat. In ihrem Umfeld hat die Tradition sogar die Fußabdrücke Abrahams zu Stein werden lassen. Mehr dazu ist im aktuellen Heft der Blätter Abrahams 24 (2024) nachzulesen (siehe auch Buchtipp S. 23).
Nun bezeichnet der Koran selbst die Ka’aba als Bauwerk, das Gott zur Einkehr und Sicherheit „für die Menschen“ (arab. an-nâs) bestimmt hat (Sure 2:125), ohne jemanden grundsätzlich auszuschließen. Die Riten dort zu vollziehen und sich, wie der Prophet Mohammed, an Gott heilzumachen (aslama), nennt der Koran „die Konfession Abrahams“ (millat Ibrahim). Kann nicht in diesem Sinn jeder jüdische oder christliche oder andere Mensch, der sich dazu bekennt, auch Muslim sein? Und wäre es nicht in Abrahams Sinn, wenn sich eines Tages alle gemeinsam in Mekka begegnen könnten?
Auch darüber können wir Gedanken austauschen, wenn sich die Reisegruppe trifft und für alle Interessierten über die ganz besondere Freunde-Abrahams-Reise nach Saudi-Arabien und Bahrain berichtet: am 15.5.2025 (siehe S. 4).
München und die Welt
„Die religiösen Führer tragen eine besondere Verantwortung, sich in dieser Zeit für Frieden und Menschlichkeit einzusetzen“
Ein Aufruf von Imam Benjamin Idriz – der unbeantwortet blieb
von Stefan Jakob Wimmer
In einer viel beachteten Kanzelrede in der Münchner Erlöserkirche kündigte Imam Benjamin Idriz (langjähriges Kuratoriumsmitglied, Unterstützer und guter Freund der Freunde Abrahams) an, sich mit einem Impuls an namhafte christliche und jüdische Persönlichkeiten in München zu wenden. Vor dem Hintergrund des Konflikts im Heiligen Land und seinen dramatischen Auswirkungen auf den sozialen Frieden und das Miteinander in München richtete er wenige Tage später, am 7. November 2024, ein offenes Schreiben an
Kardinal Reinhard Marx (Erzbistum München und Freising)
Landesbischof Christian Kopp (Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern)
Präsidentin Charlotte Knobloch (Israelitische Kultusgemeinde München)
Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt (Europäische Rabbinerkonferenz, München)
Darin regte er an, sich zu einer gemeinsamen Erklärung zu verständigen, die aus seiner Sicht ein Plädoyer zu folgenden Punkten enthalten sollte:
- für die unverzügliche Freilassung aller Geiseln, um das Leid der Betroffenen zu beenden,
- für den sofortigen Stopp aller kriegerischen Handlungen, die noch mehr Leid über unschuldige Menschen bringen,
- für die Bereitstellung von humanitärer Hilfe ohne Verzögerung, um das Überleben und die Würde aller Betroffenen zu sichern,
- für eine gerechte und nachhaltige Lösung des Konflikts im Heiligen Land, die Frieden und Stabilität gewährleistet,
- für die Realisierung einer Zweistaatenlösung, die die legitimen Rechte und Bedürfnisse beider Völker anerkennt und respektiert,
- sowie für einen entschlossenen Einsatz gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland.
In seinem Schreiben argumentiert der Imam: „Unsere Stimmen sollten den Menschen Halt und Orientierung geben und ein Beispiel dafür sein, wie Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen gemeinsam für das Wohl aller eintreten können. (….) Die Gläubigen aller unserer Religionen erwarten und verlangen das von uns. (…) Die Erklärung, um die ich Sie bitte, bezieht sich inhaltlich auf die Eskalationen im Nahen Osten, ihre Intention ist aber auf unsere Gegenwart und Zukunft hier bei uns zuhause gerichtet. (…) Lassen Sie uns ein Treffen vereinbaren, um unsere Gedanken zu teilen und einen gemeinsamen Weg zu finden.“
Der Brief blieb (bis Redaktionsschluss, 10.2.25) ohne Antwort – mit einer Ausnahme: Landesbischof Kopp lud zu einem Treffen im Kirchenamt ein, das vor Weihnachten stattfand. Allerdings folgten daraus bislang keine konkreten weiteren Schritte.
Was geschieht in München?
In unserer Stadt wird mutwillig das Miteinander beschädigt, der Dialog blockiert und verhindert, und Personen, die sich unter großem Einsatz um Aufrichtigkeit und Heilung bemühen, werden ausgegrenzt und diffamiert. Es wird auf Dauer nicht verhindert werden können, dass aufgearbeitet und aufgedeckt werden wird, woher diese Aggressionen ausgehen, wer sie deckt und mitträgt, und sich – zu unser aller Schaden – einem respektvollen Miteinander verweigert.
Vergiftet – verboten – und gescheitert?
von Stefan Jakob Wimmer
Es war das erste Mal, dass eine Veranstaltung der Freunde Abrahams untersagt wurde. Das wurde sie, weil sie auf Initiative und in Kooperation mit der Evangelischen Stadtakademie München hätte stattfinden sollen. Das der Bildungseinrichtung übergeordnete Evangelische Stadtdekanat stoppte kurzfristig die für den 15. Oktober 2024 als „Impuls und Austausch mit Stefan Jakob Wimmer, Gady Gronich und Fuad Hamdan“ angekündigte Podiumsdiskussion „Vergiftete Debatte – versperrte Wege: Wie wir trotz des Israel/Palästina-Konflikts zusammenhalten können“.
Dass die Veranstaltung unter Beschuss geraten würde, war vorauszuahnen (siehe Abrahams Post 45, S. 32), weil in München regelmäßig versucht wird zu verhindern, dass auch palästinensische Perspektiven auf den Israel/Palästina-Konflikt wahrgenommen werden. Die Landeshauptstadt ist für die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch alle Instanzen verurteilt worden – aber selbst der 7. Oktober 2023 mit seinem unfassbaren Grauen und seinen katastrophalen Folgen hat nicht bewirken können, dass die Entscheidungsträger und -macher ihre konfliktorientierte Ideologie überdenken.
Ausgelöst wurde die Absage in diesem Fall durch Intervention von Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Stadtdekan Liess bemühte sich indes zu erklären, dass die Entscheidung unabhängig davon gefallen sei, dass sie nichts mit den Inhalten der „Handreichung“ zu tun habe, um die es in der Diskussion gehen sollte, dass ausdrücklich auch palästinensischen Stimmen eine Plattform zu bieten sei – dass jedoch aufgrund von Äußerungen des palästinensischen Gesprächspartners Fuad Hamdan in sozialen Medien, „die wir als evangelische Kirche als nicht angemessen bezeichnen müssen und in keiner Weise billigen können“, die Absage erfolgen musste.
Die Leitung der Evangelischen Stadtakademie selbst war mit der Absage nicht einverstanden, ich selbst wurde in die Entscheidung nicht eingebunden und ebenso wenig der jüdisch-israelische Gesprächspartner Gady Gronich, Geschäftsführer der Europäischen Rabbinerkonferenz. Er beklagte sich darüber, dass ihm die Möglichkeit verweigert wurde, den Darstellungen von Fuad Hamdan öffentlich zu widersprechen.
Es lag also nahe, die Veranstaltung in anderem Rahmen neu anzubieten. Anregungen dazu kamen aus verschiedenen Richtungen. Rechtsanwalt Hildebrecht Braun, der seit vielen Jahren in relevanten Bereichen stark engagiert ist und den Freunden Abrahams nahesteht, gelang es schließlich, organisatorisch unterstützt von Personen aus der Humanistischen Union und dem Arbeitskreis salam-shalom, den Bürgersaal Fürstenried dafür anzumieten. Von Seiten der Landeshauptstadt wurde verlautbart, dass man die Veranstaltung in dem städtischen Raum gerne verhindert hätte, sich aber juristisch dazu nicht mehr in der Lage sah.
Sie fand also tatsächlich statt, am 25. November 2024, mit den drei vorgesehenen Gesprächspartnern, und nun verantwortet und moderiert von Rechtsanwalt Hildebrecht Braun. Den Bemühungen, sie zu verhindern, und ihrem Medienecho dürfte zu verdanken sein, dass der Saal mit rund 300 Personen überfüllt war. Und – um es vorwegzunehmen: die Befürchtung, mit der das Verbot begründet worden war, dass der palästinensische Referent menschenverachtende Positionen äußern würde, erwies sich als falsch.
Dennoch verlief die Veranstaltung nicht gut. Das Publikum war sehr stark einseitig pro-palästinensisch gestimmt – was freilich nicht denen anzulasten ist, die kamen, sondern solchen, die sich dem Gespräch verweigern. Teile des Publikums verweigerten sich indes dem Zweck der Veranstaltung, den Referenten zuzuhören und sich Positionen, die den eigenen widersprechen, in Ruhe anzuhören. Der Moderator war von einer Erkältung stark beeinträchtigt, die ihm die Stimme raubte. Die beiden Gesprächskontrahenten trugen lange Statements vor, ohne aufeinander ein- oder zuzugehen. An der Stelle, als nach einer kurzen Pause die eigentliche Diskussion in Gang gebracht werden sollte, hatte Gady Gronich den Saal verlassen. Er war von seinem Sicherheitspersonal hinausbeordert worden, weil angesichts der Stimmung im Saal eine Eskalation nicht auszuschließen gewesen sei, ohne dass die Veranstalter in diesen Schritt einbezogen oder darüber informiert wurden.
Dass daraufhin im Saal Stimmen laut wurden, die das als geplanten Rückzug hinstellen wollten, anstatt berechtigte Sorgen zumindest als Möglichkeit zu bedenken, offenbarte für mich die ganze Problematik des Konflikts: Der besteht – in Israel/ Palästina genauso wie hier bei uns – darin, dass nur ja nie eine mögliche eigene Mitverantwortung für das, was geschieht, zugelassen wird. Stattdessen werden zwanghaft maximale Schuldmechanismen der Gegenseite vorgeworfen, egal wie berechtigt oder nicht.
Um dem hier nicht selbst zum Opfer zu fallen, räume ich ein, dass es an vorbereitenden Absprachen zwischen den Referenten und mit ihnen zu einer strukturierteren Durchführung gefehlt hat. Wir waren angesichts der Vorgeschichte froh, dass beide Referenten überhaupt bei ihren Zusagen blieben und kamen. Dafür bleibe ich sehr dankbar! Ebenso allen, die bei der Durchführung mitgeholfen haben, den Polizeibeamten, den Teilnehmenden, die sich teilweise spontan als Ordner zu Verfügung stellten, und natürlich dem kleinen Team um Hildebrecht Braun. Ihm sei hier dankbar die Gelegenheit zu einer eigenen Stellungnahme geboten:
Es war eine besonders schwierige, aber eine notwendige Aufgabe zu lösen. Deutschland kennt querbeet von den jungen Linken bis nach ganz rechts seit dem 7. Oktober 2023 nur eine Argumentationsrichtung: Wir dürfen uns in unserer absoluten Unterstützung Israels im Kampf gegen die Hamas oder Hisbollah durch niemand übertreffen lassen. Dass die trotz des unsäglichen Überfalls am 7. Oktober 2023 berechtigten Interessen der Palästinenser völlig vernachlässigt werden, war und ist den meisten gar nicht bewusst.
Was mich besonders umtreibt, ist, dass in diesem Zusammenhang eines der höchsten Güter unseres Landes, nämlich die Meinungsfreiheit, unter die Räder zu kommen droht. Wer auch nur die Selbstverständlichkeit ausdrückt, dass auch die Klage über das Leid der Palästinenser in Gaza mit über 40.000 zivilen Toten und in der Westbank, mit täglichen Übergriffen von Siedlern, möglich sein muss, setzt sich dem Vorwurf des Antisemitismus aus.
Leider hat die äußerst problematische gegenwärtige israelische Regierung, mit dem andauernden, gnadenlosen Exzess im Kampf gegen die Hamas, den Antisemitismus weltweit befeuert: eine der bedrückenden Wahrheiten, die mich veranlasst haben, die verbotene Veranstaltung der Evangelischen Stadtakademie völlig unverändert mit den geplanten Akteuren durchzuführen.
Schwierigkeiten gab es ohne Ende: Einen Tag vor der Veranstaltung stand ein sehr negativer Artikel in der Abendzeitung – im Gegensatz zum positiven Artikel in der Süddeutschen Zeitung –, der den jüdischen Gesprächspartner unter Druck setzte. Oder die große Schwierigkeit, überhaupt einen geeigneten Saal zu finden, weil selbst unter privaten Vermietern Angst vor dem Etikett der angeblichen Unterstützung von Antisemiten bestand. Dann bestand die Sorge, dass Gady Gronich uns noch im letzten Moment abspringen könnte und damit die Veranstaltung sprengen würde. Auch war eine Vorbesprechung zwischen den Referenten, die ich nicht ausgesucht hatte, aus Termingründen nicht mehr möglich, sodass die Erwartungen der Personen auf dem Podium – und natürlich bei den Gästen im Plenum – sehr unterschiedlich waren. Es kam hinzu, dass mir als dem Versammlungsleiter just an diesem Tag wegen einer brutalen Erkältung die Stimme abhandengekommen war, sodass ich sitzungsleitende Worte nur ins Mikrofon flüstern konnte.
Als Problem stellte sich heraus, dass die Gruppe derer, deren Sympathien doch in erster Linie den Palästinensern gehörte, die große Mehrheit der Anwesenden darstellte, was für eine differenzierende Argumentation in der Diskussion sehr unglücklich war. Es trauten sich wohl etliche aufgrund der Mehrheitssympathie im Raum nicht ans Mikrofon. Aber auch die beiden Kontrahenten sahen ihre Aufgabe nicht darin, Verbindendes zu finden. So war die Veranstaltung, deren Notwendigkeit ich nach wie vor sehe, nur ein sehr eingeschränkter Erfolg.
Die Stadtspitze wollte die Veranstaltung eigentlich verbieten; sie sah aber, dass sie damit bei Gericht keinen Erfolg haben würde. Es ist kein Ausweis für die Liberalität der Stadt, wenn sie eine Veranstaltung, die auf dem Podium offensichtlich ausgewogen besetzt war und die einen kleinen Beitrag zur Befriedung der Diskussion in München leisten wollte und wohl auch geleistet hat, überhaupt infrage stellte.
Ich danke Stefan Jakob Wimmer ganz besonders, weil er es aus voller Überzeugung übernommen hatte, das Verbindende herauszustellen und Wege zu weisen, wie beide Seiten in ihrem Leid aufeinander zugehen hätten können.
Rechtsanwalt Hildebrecht Braun
Medienecho Auszüge:
„‚Wenn wir hierzulande und auch im Nahen Osten künftig in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben wollen, braucht es Gesprächsfäden, um gerade die jetzt so verhärteten Gegensätze zu überwinden.‘“ (Gady Gronich, epd 17.10.)
„Juden und Palästinenser: Dialog-Versuch in München gescheitert“ (BR24 26.11., Nadja Stempel)
„Fehlschlag oder Teilerfolg? (…) Man ist einander nicht an die Kehle gegangen. Möglicherweise ist schon das nicht geringzuschätzen in diesen explosiven Zeiten. (…) Zu einer echten Verständigung ist der Weg aber noch weit: nicht nur in dem Land, das die einen Israel und die anderen Palästina nennen – auch in München.“ (KNA 26.11., Christoph Renzikowski)
„Es ist Zeit, dass sich die Institutionen stärker einbringen, die alle Menschen in dieser Stadt repräsentieren. Oberbürgermeister, Bürgermeister, Stadtrat, seine Mitglieder, die Parteien. Sie sollten den Boden bereiten für gutes Streiten. (…) Um die Wirkung des Konflikts auf München zu verstehen, auch um Emotionen ihren Platz zu geben, sollte die Stadt den Diskurs aktiver als bisher fördern. Indem sie Räume bereitstellt und ihre Repräsentanten auf die Podien gehen, zuhören, sprechen, gegenhalten. Auch Widerspruch kann ein Zeichen von Respekt sein.“ (SZ 28.11., Kommentar von Bernd Kastner)
Wofür unser Land steht
Aus dem Gemeinsamen Aufruf der Vorsitzenden der christlichen Kirchen in Deutschland zur Wahl des 21. Deutschen Bundestages am 23. Februar 2025 mit dem Thema „Einstehen für unsere Demokratie“ zitieren wir ein Plädoyer, das die Anliegen der Freunde Abrahams sehr genau trifft (siehe auch Editorial): „Eine gute Zukunft für unser Land setzt klare Orientierungen voraus. Das beinhaltet:
- Unser Land muss weiterhin Europa als den gemeinsamen Raum von Freiheit, Recht, Sicherheit und Wohlergehen stärken – und zugleich dem Frieden weltweit und den Menschenrechten dienen.
- Unser Land darf beim Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nicht nachlassen. Wir sind gefordert, unseren Beitrag für die Zukunft des Planeten und zur Bewahrung der Schöpfung zu leisten.
- Unser Land muss auch weiterhin den Blick auf die globalen Erfordernisse und Nöte richten und zur Überwindung von Armut und Unterdrückung in aller Welt beitragen.
- Unser Land muss einer humanitär orientierten Flüchtlingspolitik und einer guten Integration von Zuwanderern verpflichtet bleiben. Probleme sollten mit Entschlossenheit, aber ohne Ressentiments angepackt werden.
- Unser Land muss Teilhabe und Gerechtigkeit im Blick halten. Dazu gehört die Soziale Marktwirtschaft mit einem weiterhin leistungsfähigen System der sozialen Sicherung.
- Unser Land muss schließlich dem Schutz des Lebens zugewandt sein, denn jeder Mensch hat die gleiche unveräußerliche Würde.“
Gezeichnet von Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Bischöfin Kirsten Fehrs, Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Erzpriester Radu Constantin Miron, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK)
In eigener Sache
Neues Kuratorium
Seit 2010 steht den Freunden Abrahams ein Kuratorium zur Seite, das den Vorstand bei der Wahrnehmung der Interessen der Gesellschaft unterstützt und insbesondere die Verbindung zu interessierten Kreisen in der Öffentlichkeit fördern soll.
Bisherige und frühere Mitglieder des Kuratoriums waren: Prof. Dr. Dr. h.c. Karl-Josef Kuschel (Vorsitzender), Sr. Eustochium Bischopink (Kommunität Venio, 2010-2015), Delia Dornier-Schlörb (Projekt Kinder Abrahams, 2010-2024), Dorothea und Johannes Friedrich (Landesbischof a. D., 2017-2024), Rabbinerin Eveline Goodman-Thau (Hermann-Cohen-Akademie, Jerusalem, seit 2010), Imam Dr. Benjamin Idriz (Islamische Gemeinde Penzberg und Münchner Forum für Islam, 2010-2024), Archimandrit Peter Klitsch (Griech.-orth. Kirchengemeinde München, seit 2019), Christel und Dr. Rupert Neudeck (Friedenskorps Grünhelme, 2010-2018/2016).
Ab 2025 setzt sich das Kuratorium neu zusammen. Wie bisher amtiert
Prof. Kuschel als Vorsitzender, Rabbinerin Eveline Goodman-Thau und Archimandrit Peter Klitsch setzen ihre Tätigkeit fort.
Als neue Mitglieder dürfen wir herzlich begrüßen:
Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof a. D., Vorsitzender des Weltkirchenrats
Dietmar Bruckmann, Bahá’í-Gemeinde München
Pfarrerin Mirjam Elsel, Beauftragte für interreligiösen Dialog der Ev.-Luth. Kirche in Bayern
Dr. Ekkehard Knobloch, Altbürgermeister
Imam Belmin Mehić, Münchner Forum für Islam
Prof. h.c. Dr. Abi Pitum, Honorargeneralkonsul
Dr. Norbert Reck, kath. Theologe und Publizist
Prof. Dr. Barbara Schellhammer, Hochschule für Philosophie München
Gönül Yerli, Religionspädagogin, Islamische Gemeinde Penzberg
Den ausscheidenden Mitgliedern Delia Dornier-Schlörb, Imam Benjamin Idriz und Dorothea Friedrich und Johannes Friedrich, Landesbischof a. D., danken wir sehr herzlich für Ihre wertvolle, langjährige Unterstützung. Gott vergelt’s!
Gute Nachrichten
Abrahamisches Forum in Deutschland
Das Abrahamische Forum in Deutschland e. V. ist ein Zusammenschluss von Persönlichkeiten aus dem Judentum, Christentum, Islam, Alevitentum und Bahaitum mit Wissenschaftlern und Experten, die sich für ein gutes Miteinander von Menschen unterschiedlicher Religion engagieren. Gegründet wurde es im Februar 2001 auf Initiative seines Geschäftsführers Dr. Jürgen Micksch. Das Abrahamische Forum gibt unter anderem Stellungnahmen heraus, organisiert Veranstaltungen Abrahamischer Teams und andere interreligiöse Dialoge, leitet den Arbeitskreis Religionen und Naturschutz und unterstützt die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Vorstandsvorsitzender ist Prof. Dr. Dr. Karl-Josef Kuschel, und seit November 2024 sind nun auch die Freunde Abrahams mit Prof. Dr. Stefan Jakob Wimmer Mitglied des Abrahamischen Forums.
Wiener Erklärung: Religionen für den Frieden
Am 9. Januar 2025 unterzeichneten im Erzbischöflichen Palais in Wien Christoph Kardinal Schönborn, Oberrabbiner Jaron Engelmayer und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Ümit Vural, gemeinsam die „Wiener Erklärung“. Der Wortlaut:
„In Wien gibt es eine gute, tragfähige und konstruktive Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften. Sie ist auch Frucht eines langjährigen Dialogs in unserer Stadt. Aus dieser Erfahrung und aus unserer gemeinsamen Verantwortung setzen wir uns für den Frieden ein – in der Überzeugung, dass der Glaube eine kraftvolle Basis für ein friedliches Zusammenleben sein kann.
Entschieden verurteilen wir jeglichen Missbrauch von Religion zur Anstiftung oder Rechtfertigung von Terror und Gewalt. Zugleich treten wir gegen jede Form von Diskriminierung und Bedrohung religiösen Lebens auf. Wir verpflichten uns, das gegenseitige Verständnis und den Zusammenhalt in unseren Religionsgemeinschaften mit aller Kraft zu stärken.
Wir appellieren an unsere Gemeinden und an alle Menschen, die in Wien leben, sich unermüdlich für den Erhalt des friedlichen und respektvollen Miteinanders in unserer Stadt einzusetzen.“ (Quelle: www.katholisch.at)
Die schlechte Nachricht ist, dass eine solche Erklärung in München offenbar nicht möglich ist (siehe oben S. 16).
Imam in der Münchner Synagoge
Am 26.9.2024 kam zustande, was im aktuellen Klima in München von ganz besonderer Symbolkraft war: Imam Benjamin Idriz, Mitglied im Sprecherrat des Rates der Religionen, wurde von Rabbiner Shmuel Aharon Brodman, Gemeinderabbiner der IKG, in der Ohel-Jakob-Synagoge am St.-Jakobsplatz empfangen. Was andernorts längst, und besonders in dieser Zeit, selbstverständlich sein mag, wurde durch den Einsatz des Beauftragten der Landeshauptstadt für den interreligiösen Dialog, Marian Offman, ermöglicht. Das nicht-öffentliche Treffen verlief offenbar heiter, der Rabbi und der Imam verstanden sich. (Quelle: SZ vom 27.9.2024)
Die schlechte Nachricht ist, dass diese Begegnung an maßgeblicher Stelle Verstimmung auslöste (nicht auf der muslimischen Seite).
Neue Geschäftsführung bei den Freunden Abrahams e. V.!
Wir stellen vor: Unsere Geschäftsführerin, die viel Zeit in die Vereinsarbeit einbringen wird und den Vorstand entlasten kann.
Kurze Selbstdarstellung: Tanja Mancinelli
Seit Januar 2025 habe ich die Freude und Ehre, die Geschäftsstelle der Freunde Abrahams zu übernehmen. Ich habe Biologie und Religionswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität studiert und einen Master in Spiritueller Ökologie vom Schumacher College erworben. An der University of Wales Trinity Saint David promovierte ich in Islamischer Umweltethik.
Sieben Jahre verbrachte ich in verschiedenen Yoga-Ashrams in Indien und Großbritannien. Seit 2015 bin ich ordinierter Interfaith Minister (Cherag) in der Sufi-Tradition nach Hazrat Inayat Khan. Der interreligiöse Dialog ist mir ein Herzensanliegen: Seit 2013 engagiere ich mich aktiv dafür – zunächst bei OCCURSO e. V., später im Haus der Kulturen und Religionen München e. V. sowie im College of Interreligious Studies in München.
Buchtipps
Blätter Abrahams 24, 2024
Das neue Heft 24 der Blätter Abrahams – Beiträge zu religionsgeschichtlicher Forschung und interreligiösem Dialog reflektiert mit zwei Beiträgen, „Die Antisemitismus-Falle“ und die Neufassung der viel rezipierten „Handreichung“ aus Heft 23, die Folgen des 7. Oktober 2023 in Israel/Palästina, und die Auseinandersetzung damit, mit Antisemitismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland. Dem notwendigen Umdenken war auch die Manfred-Görg-Gedenkvorlesung „Auch die ‚Anderen‘ erfahren Leid“ von Prof. Dr. Ottmar Fuchs gewidmet, die am 13.9.2024 in Kooperation mit der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU veranstaltet wurde.
Zum Manfred-Görg-Preis dokumentieren wir Worte von und über Ahmad Milad Karimi, Professor für islamische Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, sowie die mit dem Juniorpreis ausgezeichnete Arbeit von Daniela Lutsch vom Camerloher Gymnasium Freising über „Edith Stein zwischen Judentum und Christentum“. Der Reise von Freunden Abrahams nach Saudi-Arabien und Bahrain sind Einsichten und Nachgedanken von Stefan Jakob Wimmer zur vorislamischen Götterwelt und zu den islamischen Abrahamsvorstellungen in Mekka zu verdanken. An ein 200-jähriges Jubiläum erinnert die Präsentation eines von der Bayerischen Staatsbibliothek erworbenen Synagogengebets zum Thronjubiläum von König Maximilian I. Josef. Von Dr. Andreas Renz, Leiter des Fachbereichs Dialog der Religionen im Erzbischöflichen Ordinariat München und Freising, dürfen wir den 4. Teil seiner wegweisenden Reihe zu neueren Ansätzen in der islamischen Theologie in der Verhältnisbestimmung zu Judentum und Christentum vorlegen. Frater Gregor Baumhof OSB vom Haus für Gregorianik in München sind wir dankbar für die Dokumentation eines weiteren Vortrags, der am 12.12.2024 zu den O-Antiphonen der römischen Adventsliturgie gehalten wurde. Wie in jedem Heft drucken wir einen Beitrag von Prof. Dr. Dr. Manfred Görg (1938-2012), dem Gründer und spiritus rector der Freunde Abrahams nach, diesmal ergänzt durch Überlegungen von Stefan Jakob Wimmer, zum Bund der Beschneidung Abrahams. Das „kreative Ende“ kommt wieder von der Autorin Brigitte Hutt, die viele Jahre auch als Vorstandsmitglied der Freunde Abrahams gewirkt hat.
Das Heft enthält eine Reihe von Abbildungen in Farbe, die in der Druckfassung nur schwarzweiß wiedergegeben werden können. Seit Heft 20 (2020) sind alle Beiträge – auch die der zurückliegenden Ausgaben ab Heft 1 – open access, also kostenfrei, auf der Website der Freunde Abrahams verfügbar über www.freunde-abrahams.de/blaetter-abrahams/. In der digitalen Ausgabe sind Farbabbildungen möglich. An der gedruckten Ausgabe werden wir aber auch künftig bewusst festhalten. Die gedruckte und die digitale Ausgabe erscheinen gleichzeitig, in der Regel zu Anfang des Folgejahres. Jedes gedruckte Heft ist einzeln zum Preis von nur 10 € bzw. 5 € (für Mitglieder), zzgl. Versand, erhältlich. Mitglieder erhalten je 1 Exemplar nach Erscheinen gratis. In der Regel bitten wir hierzu um Abholung bei den Veranstaltungen.
Wir sind für den Erhalt der Zeitschrift auf Ihre Unterstützung angewiesen und bitten, die Blätter Abrahams zielgerichtet durch Spenden zu unterstützen!
Omri Boehm: Radikaler Universalismus jenseits von Identität
„Ist der Universalismus heute noch zu retten? Ja, aber wir müssen zurück zu seinem Ursprung: Erst wenn wir den humanistischen Appell der biblischen Propheten und Immanuel Kants wirklich verstehen, können wir Ungerechtigkeit kompromisslos bekämpfen – im Namen des radikalen Universalismus, nicht in dem der Identität“, schreibt der 1979 in Haifa geborene Philosoph, der in München und New York geforscht hat. Seine Relektüre der Perikope von der Bindung Isaaks führt ihn zur „abrahamitischen Unterscheidung“: Da die Pflicht gegenüber der Menschheit nach Kant universell ist, ist ihr zu folgen der Ursprung nicht des Gehorsams, sondern des Ungehorsams.
Am 12.6.2025 spricht Omri Boehm auf Einladung der Freunde Abrahams in München über sein Buch (siehe oben S. 6).
Ullstein Berlin 2023 (6. Aufl. 2024), 175 Seiten, ISBN 978-3-548-06857-2, 13,99 € (Taschenbuchausgabe).
Benjamin Idriz: Das schöne Wort. Mit der Weisheit des Korans und der Hadithe durch das Jahr
„Sich vom Wort des Propheten Muhammad begleiten zu lassen – für Imam Benjamin Idriz ist das eine Selbstverständlichkeit. Hier lädt er dazu ein, es selbst zu probieren. Für jede Woche des Jahres bietet das Buch einen ausgewählten Abschnitt aus dem Koran und für jeden Freitag, Samstag und Sonntag eines Jahres, den Tagen also, die für Muslime, Juden und Christen die Ruhetage der Woche sind, einen Hadith, eine Lehraussage Muhammads.
Ein Streifzug durch den Koran wird so ergänzt um die Auslegung, die Muhammad seiner Botschaft in konkreten Lebensfragen und Lebenssituationen gab. In aktueller Weise und zeitgemäßer Sprache wird so die Menschenfreundlichkeit und Weisheit, die Lebensdienlichkeit und Zugewandtheit deutlich, die dem Propheten und dem Islam innewohnen und die heute – von Muslimen und Nichtmuslimen – so oft übersehen werden. Ein Buch, das die Perspektive weitet, spirituell berührt und zum Gespräch einlädt.“ (Klappentext)
Der Autor war langjähriges Mitglied im Kuratorium der Freunde Abrahams.
Gütersloher Verlagshaus 2025, 240 Seiten, ISBN 978-3-579-08259-2, 20 €. Das Erscheinen ist für 26.2.2025 angekündigt.
Norbert Reck: Kein anderes Ufer. Die Erfindung der Homosexualität und ihre Folgen. Anstoß zu einer notwendigen Debatte
Die „Hölle der Abstraktionen“ führt in die Entmenschlichung. Wir glauben zu wissen, wer „die anderen“ sind und beschreiben dabei nur Kategorien, an all dem vorbei, was einen individuellen Menschen ausmacht. Das gilt für ethnische, religiöse, politische Zugehörigkeiten und, wie der Publizist und katholische Theologe Norbert Reck anhand von Bibel, Geschichte, Psychoanalyse und Sexualwissenschaft aufzeigt, natürlich auch für die so genannte sexuelle Orientierung: Es gibt weder das „eine“ noch das „andere Ufer“. „Die Frage ist nicht: Was seid ihr? Sondern: Wer seid ihr? Liebt ihr euch? Respektiert ihr euch gegenseitig? Das ist der Kern des christlichen Glaubens.“
Der Autor ist ab 2025 Mitglied im Kuratorium der Freunde Abrahams.
Matthias Grünewald Verlag, Verlagsgruppe Patmos Ostfildern 2024, 171 Seiten, ISBN 978-3-7867-3357-7, 20 €.
Texte zum Nachdenken – Worte für die Seele
Auf der letzten Seite wollen wir Ihnen Gedichte, Lieder oder kurze Texte zum Nachdenken und für die Seele mitgeben. Für Ihre Anregungen sind wir immer dankbar!
Die Rose
Rainer Maria Rilke spazierte öfter mit seiner Freundin durch die Boulevards von Paris. Es fiel ihnen auf, dass stets an der gleichen Straßenecke eine Bettlerin saß. Schweigend streckte sie ihre Hand bittend um eine Gabe aus, ihr Blick blieb gesenkt.
Die Freundin Rilkes gab meist ein Geldstück und wunderte sich, dass ihr Begleiter keine Münze zog.
„Diese Frau braucht nicht nur Francs. Siehst du nicht, wie traurig sie ist, auch wenn die Spenden reichlich fließen“, erklärte er.
Am nächsten Tag drückte Rilke der Bettlerin eine duftende rosa Rose in die Hand.
Zum ersten Mal erhob sie ihren Blick, tiefe Freude und Dankbarkeit strahlte aus ihren Augen. Liebevoll ergriff sie Rilkes Hand, küsste sie und ging davon.
Die folgenden acht Tage blieb der Platz der Bettlerin leer. Erst am neunten saß sie wieder wie früher bittend in ihrer Ecke. „Wovon hat sie denn diese Zeit gelebt?“, staunte die Freundin.
„Von der Rose“, lächelte er.
(Dank an Fr. Gregor Baumhof OSB, der den Text zur Verfügung stellte.)