Abrahams Post 32

EDITORIAL:

„Wer ‚Antisemitismus‘ ruft …

… wo keiner ist, der schadet dem Kampf gegen Antisemitismus“ – so schrieb unlängst der ehemalige Botschafter Israels in Deutschland Shimon Stein („Das böse Etikett“, Zeit online, 31.5.2017). Weil der Ungeist des Antisemitismus ebenso widerwärtig wie hartnäckig ist und immer wieder neu ernst genommen werden muss, deshalb erfordert der Vorwurf des Antisemitismus Verant­wortung, Verstand und ein Höchst­maß an Sensibilität von allen, die ihn einsetzen. Andernfalls droht er zu einer Floskel zu verkommen, die Brisanz seines Inhalts verwässert zu werden, oder er wird als Kampfbegriff für politische Ziele missbraucht.

Dann wird Antisemitismus nicht bekämpft – wie der Titel einer Resolution des Münchner Stadtrats es vorgibt (siehe Aus München und Umgebung) –, sondern es wird dem Anti­semitismus, dem Rechtsextremismus und Rechts­populis­mus in die Hände gespielt. Die Resolution befasst sich mit dem hoch­komplexen Gebiet der Nah­ost­problematik, ohne sich um die dafür erforder­liche Kompetenz zu bemühen. Sie pauschalisiert anstatt zu differenzieren und bezieht einseitig Position in heftig umstrittenen Fragen.

Wenn Menschen, die sich für eine friedliche Verständigung von Juden und Arabern, Israelis und Palästinensern, Judentum und Islam einsetzen, die teilweise selbst jüdische Israelis sind und sogar Nachkommen von Opfern der Schoah, in die Nähe von Antisemitismus gerückt werden, dann ist auch das unerträglich. Dies geschieht aktuell in München, der ehemaligen „Hauptstadt der Bewegung“. Auch das ist eine Form von Ungeist, die wahr­genommen und ernst­ge­nom­men und aufgehalten werden muss.

Stefan J. Wimmer


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Bürgerpreis 2017: „Mein Glaube. Dein Glaube. Kein Glaube. – Unser Land!“

Die Freunde Abrahams wurden mit dem Bürgerpreis des Bayerischen Land­tags 2017 ausgezeichnet (siehe auch den bebilderten Bericht)

Seit dem Jahr 2000 zeichnet der Bayerische Landtag mit seinem Bürgerpreis jährlich vorbildliches bürgerschaftliches Engagement in Bayern aus. Das Motto des Bürger­preises 2017 lautete: „Mein Glaube. Dein Glaube. Kein Glaube. – Unser Land! Bürgerschaftliches Engagement und weltanschaulicher Diskurs für eine Gesellschaft des Respekts und der Verständigung“. Ein Sonderpreis der Jury (5.000 Euro) ging an die Freunde Abrahams e.V.!

In der Begründung heißt es: „Die Jury zeigte sich vor allem davon beein­druckt, dass der Verein sich bereits seit 2001 darum bemüht, durch wissen­schaftliche Beschäfti­gung mit Religionsgeschichte die gemeinsamen Wurzeln der Glaubensvorstellungen von Christen, Juden und Muslimen freizulegen.“

Die Preisverleihung fand in feierlichem Rahmen am 19. Oktober 2017 im Bayerischen Landtag statt.

Für alle, die nicht dabei sein konnten, hier die Dankesworte unseres Vor­sitzen­den:

„Wir freuen uns über diesen Preis, denn wir brauchen Unterstützung – auch im finan­ziellen Sinn – und Wahrnehmung. Leider konzentriert sich Medien­berichterstattung vor allem auf den Missbrauch von Religion – die Muslime etwa können hiervon ein trauriges Lied singen – während die viele gute Arbeit, die kontinuierlich geleistet wird, viel weniger vermittelt wird. Deshalb ist so wichtig, dass die, die sich für das Miteinander einsetzen, sich zusammen­tun und dass sie gefördert werden – so wie es hier gerade ge­schieht.

Was wir aber nicht brauchen, ist eine Rhetorik der Abgrenzung, der Ausgrenzung und Abwertung von Menschen. Die sollten wir denen über­lassen, die sich die Konfrontation auf die Fahnen geschrieben haben. Ich bin mir nicht sicher, ob sich unsere Mandatsträger, bis hinauf in die Staats­regierung, immer bewusst sind, dass sie mit wenigen Worten oder Sätzen torpedieren, erschweren und zunichte machen können, wofür nicht nur die Freunde Abrahams sich über Jahre hin einsetzen und wofür der Landtag hier Preise vergibt.“ (sinngemäße Zusammenfassung)

Dafür gab es spontan kräftigen Applaus aus dem Saal.

Bei der Präsentation der insgesamt sechs Preisträger zeigte sich, wie an­regend, ermutigend und divers sich das Engagement für das Miteinander in Bayern gestalten kann, und unter rund hundert Bewerbungen, die leer aus­gingen, waren zweifellos sehr viele, die die Würdigung nicht weniger verdient hätten. Im Bamberg etwa wurde mitten im Stadtzentrum ein „Zelt der Religionen“ errichtet (2. Preis), ebenfalls im fränkischen Raum wird von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit die „Etz-Chaim“-Skulptur (hebr. „Lebensbaum“) für jeweils ein Jahr an eine Schule vergeben, die dann einen besonderen Schwerpunkt auf interreligiöses Engagement legt (3. Preis). In Nürnberg bietet die SinN-Stiftung des Evangelisch-Lutherischen Dekanats ein Integrationsprojekt speziell für russischsprachige Christen, Juden und Muslime (auch 3. Preis) und in Würzburg veranstaltet ein Interreligiöser Gesprächs­kreis Begegnungen zwischen den Religionen (auch 2. Preis). Der erste Preis ging an die renommierte Eugen-Biser-Stiftung in München, deren hochkarätige Projekte zum Teil durch ehrenamtliches Engagement, aber auch durch hauptamtlich angestellte Mitarbeiter umgesetzt werden.

Schließlich möchten wir Ihnen allen, unseren Mitgliedern, Freunden und Unterstüt­zern, Dank und Anerkennung aussprechen. ES IST IHR PREIS! Die Mitglieder, der Vorstand und das Kuratorium gleichermaßen SIND die Freunde Abrahams. Wir alle haben uns diesen Preis verdient. Herzlichen Glückwunsch!

Manfred-Görg-Preis 2018

Der Manfred-Görg-Preis 2018 wird am Sonntag, 16. September 2018 im An­schluss an das Abrahamische Friedensgebet (siehe Terminankündigung) verliehen. Damit würdigen wir zugleich den 80. Geburtstag von Manfred Görg (* 8.9.1938).

Die Freunde Abrahams würdigen das Leben und Wirken ihres Gründers Prof. Dr. Dr. Manfred Görg (1938-2012) mit einem nach ihm benannten Preis, der im Herbst 2015 erstmals vergeben wurde. Im Dreijahresrhythmus werden jeweils ein/e renom­mierte/r Wissenschaftler/in (für den „Senior-Preis“) und ein/e Schüler/in, Studie­rende/r oder Nachwuchs­wissen­schaftler/in (für den „Junior-Preis“) für ihre Arbeiten in den Bereichen Religionsgeschichte oder inter­religiöser Dialog ausge­zeichnet.

Die ersten Preisträger 2015 waren Prof. Dr. Stephan Leimgruber (siehe Vortrags­angebot) für sein Lebenswerk und Dr. Barbara Peveling (siehe Buchtipps) für ihre Dissertation zur Identität und Differenz nord­afrikanischer Juden in Frank­reich.

Für den Juniorpreis, der mit 1.000 Euro dotiert ist, werden Facharbeiten, Seminar­arbeiten, dokumentierte Projekte, Zulassungsarbeiten, Abschluss­arbeiten, B.A.- oder M.A.-Arbeiten, Dissertationen und Habilitationen prämiert. Sie müssen bis zum Ende des laufenden Wintersemesters abge­schlossen und vor Beginn des Sommer­semesters bewertet sein und sollen nicht älter als zwei Jahre sein. Die Bewerbungen müssen uns bis 9. April 2018 erreichen.

Die/der Senior- und die/der Juniorpreisträger/in werden in der Abrahams Post Herbst/Winter 2018/19 bekannt gegeben, ebenso Ort und Uhrzeit des Abraha­mischen Friedensgebets und der Preisverleihung. Bitte merken Sie sich den 16. September 2018 vor!


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Berichte zu Veranstaltungen

Abrahamisches Friedensgebet 2017

Unser Mitglied Adelgunde Dietrich schrieb uns dazu: „Sie sollen wissen, dass selten eine Stunde Lebenszeit so wenig vergeudet war für mich wie diese gestrige Stunde in St. Lukas. Alles war inhaltlich und auch in der Ausführung so ausgewählt gelungen, wunderbar. Besonders die ‚Musikschiene‘ ging durch und durch. Die Organistin brachte u. a. die Ambivalenz des Lebens so gut zum Ausdruck, die jüdische Religionslehrerin rührte emotional so sehr an. Ganz herzlichen Dank allen Mitwirkenden für die Ideen und Mühen.“

 

Leben und Lehren von Muḥyī d-Dīn Ibn ʿArabī

Rückblick auf das Halbtagsseminar mit Prof. Dr. A. M. Karimi am 4.11.2017

von Ursula Schleuss, CH-Winterthur

Im ersten Teil des Seminars wurden wir von Professor Karimi mit auf eine Reise genommen. Auf eindrückliche Weise zeigte er uns auf, wie Ibn ʿArabī das Leben als Stationen einer Reise verstanden hat, die von der Sehnsucht nach Gott getragen wird.

Die erste Station ist die Reise selbst, verbunden mit der Frage: Wohin führt uns die Reise des Lebens insgesamt? Es öffnet sich ein Weg ins Innere unseres menschlichen Seins. Wichtig ist dabei, immer in der Gegenwart des Propheten (Friede sei mit ihm) zu sein und ihn als Reiseführer zu haben, welcher uns die Richtung zum Herzen aufzeigt. Nach seinem Verständnis ist das Herz das Haus Gottes, die Kaaba, welche wir in uns tragen. Die innere Reise fordert aber allem voran Achtsamkeit, Verzicht und eine Haltung, sodass die Reise zu Gott zugleich einer Reinigung der eigenen Seele gleichkommt. Nichts kann diese Reise besser einfangen als das Gebet, das uns zum Äußersten erhebt und Frieden schenkt. Die Aufgaben der zweiten Station sind diese: mit dem Selbst in Berührung zu kommen, sich selbst verstehen zu lernen, mit Hilfe der Nähe Gottes bei sich zu sein und Frieden zu finden in jedem Augenblick unseres Lebens, sowie eine innere Reinigung zu erleben. So lernen wir auch, was es bedeutet, mit Hingabe zu leben, dem Charakter der dritten Station. Mit diesem können wir die Hingabe an Gott und an das Leben verstehen und leben lernen.

Wir brauchen eine innere Unruhe, welche uns immer wieder weckt und ermuntert, uns mit den eigenen dunklen Seiten auseinanderzusetzen. Daraus entwickelt sich eine Haltung dem Leben gegenüber, der vierten Station. Wir werden frei von Masken, schätzen es, in Einfachheit zu leben; diese Haltung trägt uns auf der Reise zu Gott. Wir werden frei für die fünfte Station, die uns zeigt, was es bedeutet, in Liebe zu leben. Diese kann in ihrer Größe und Tiefe nur verstanden werden, wenn man sie selber erlebt und lebt. Im Koran wird die Beziehung zwischen den Menschen und Gott in Form von Liebe beschrieben. Eine Liebe, welche uns auch immer wieder ermöglicht, Personen und Dinge aus neuer Sicht zu betrachten, frisch, unvorein­genommen. Und immer mehr in eine Einheit mit der Präsenz von Gott zu kommen, uns immer wieder als Lernende zu sehen, im Wissen, dass wir nie vollständig sein werden.

Nach einer kurzen Mittagspause hörten wir Details zur Biografie von Ibn ʿArabī. Während einer Pesterkrankung als circa Zwölfjähriger fiel er in eine tiefe Bewusst­losigkeit. Er wurde von der Umgebung für tot gehalten – ein für ihn sehr prägendes Erlebnis. Bald danach begann er, sich mit Themen des Sufismus auseinander­zusetzen; dabei hatte er mystische Erlebnisse und erhielt einen großen Teil seines Wissens über Eingebung. Eine Kernaussage von Ibn ʿArabī ist: Alles kommt von Gott und enthüllt sich immer wieder neu, die Schönheit, die Schriften, die Offenbarungen sind in jedem Leben und in jeder Generation neu zu verstehen. Alles ist in Veränderung, alles kommt von Gott und enthüllt sich immer wieder.

Weiter erhielten wir in einem dritten Teil die Gelegenheit, Texte mit den Themen Selbsterkenntnis, Liebe und Gotteserkenntnis zu vertiefen. Gerne denke ich an diesen lehrreichen Seminartag zurück. Er hat mir den Vorhang zur großen und tiefen Welt von Ibn ʿArabī geöffnet. Besonders angesprochen hat mich sein Appell an uns alle, unser Herz unaufhörlich für die Unendlichkeit Gottes zu weiten.

 

Göttliche Funken in Schleißheim

Die Ökumenische Sammlung Gertrud Weinhold „Das Gottesjahr und seine Feste“

von Yvonne Baur-Saleh

„Ein weiblicher Odysseus“ wurde sie einmal genannt, die Mäzenin Prof. E.h. Gertrud Weinhold (1899-1992), die 60 Länder auf vier Kontinenten bereiste, um religiöse Volkskunst zu sammeln. Alle Ankäufe brachte sie in ihren Heimathafen Berlin, wo sie in den 50-er Jahren eine bedeutende Krippensammlung aufbaute und sich als Sammlerin von Andachtsmitteln unterschiedlicher Konfessionen und Provenienz einen Namen machte.

Noch zu Lebzeiten übertrug Gertrud Weinhold rund 6000 Objekte dem Freistaat Bayern. Im eigens renovierten Alten Schloss Schleißheim ist die von der Stifterin selbst eingerichtete Dauerausstellung „Das Gottesjahr und seine Feste“ seit 1986 unverändert zu besichtigen. In ihrer Eröffnungsrede verwies sie auf Martin Buber und die Vorstellung, dass alle Dinge einen göttlichen Funken in sich tragen. Dieser Gedanke ist den Freunden Abrahams sympathisch, und so buchten wir eine Führung mit Frau Dr. Inge Kreuz.

Árboles de la vida, Lebensbäume, nennt man in Mexiko die aus Ton gefertigten Kunstwerke, die den Baum der Erkenntnis darstellen. Ein besonders beeindrucken­des, fast einen Meter hohes Exemplar stammt von Alfonso Soteno Fernández und seiner Frau Modesta. Die Flora und Fauna des Paradieses präsentiert sich mit üppigem Blattwerk, Blüten, Früchten und weißen Tauben. Die an den Baum anmo­del­lierten Figuren bilden eine Dreieckskomposition: Links streckt Eva die Hände nach dem Apfel aus, den ihr ein verführerisches Mischwesen aus Schlange und Frau mit spitzen roten Teufelsohren anbietet. Verzweifelt hebt auf der rechten Seite Adam die Arme zum Erzengel Michael empor, der oben im Baumwipfel die Spitze des Dreiecks bildet. Zwei mit einem Ananasdekor verzierte Limonaden­fla­schen zwischen den Blättern verweisen auf die ganz persönliche Paradiesvor­stellung der Künstler.

Die Beschriftungen der Vitrinen in den Ausstellungsräumen zeugen von Gertrud Wein­holds tiefer, christlich geprägter Religiosität. Es zeichnet sie aus, dass sie jüdi­sche, islamische und buddhistische Gebetsutensilien wie etwa Tallitot (Gebetschals), Teffilin (Gebetsriemen) und Torafinger; Gebetsteppiche, einen Koranständer, Tasbihat bzw. Malas (Gebetsketten) wertschätzend in ihre Sammlung aufnahm.

In der Abteilung „Krippen aus Übersee“ machte uns Frau Dr. Kreuz mit Werken aus Cuzco/Peru und Tansania vertraut: Fröhlich und prachtvoll präsentiert sich eine figuren­reiche Krippenszenerie des peruanischen Künstlerpaars Hilario und Geor­gina Mendevil: Das Jesuskind zwischen Maria und Josef, dahinter eine achtstufige Treppe mit einem Engelsorchester. Das 48-köpfige Ensemble spielt auf Muschel­hörnern, Gitarren und Violinen und wiegt sich dabei so lebendig im Takt, dass der Betrachter die Melodien zu Ehren des Messias zu hören meint. Die aus einer Mi­schung von Maismehl und Gips modellierten Figuren haben europäische Ge­sichts­züge und sind im Stil der einstigen spanischen Kolonisten gekleidet. Markenzeichen aller Arbeiten Mendevils sind die überlangen Hälse seiner Krippenfiguren – ein Stilmittel, das seine Krippen zu begehrten Sammlerobjekten macht.

Völlig anders in Gestaltung und Ausdruck interpretieren Bildhauerarbeiten der Makon­de aus Tansania das Weihnachtsgeschehen und versetzen es in ihre Lebens­welt. Ein geläufiger Typus ist die Bootskrippe, ein aus tiefschwarzem Ebenholz ge­schnitzter Einbaum, wie ihn die tansanischen Fischer verwenden. In der Bootskrippe der Sammlung Weinhold ist die Hauptperson, der Messias, dem Betrachter zunächst verborgen. Die Passagiere, Maria, Josef und Hirten beschützen gemeinsam das Kind. Drei Engel schauen mit offenen Mündern in den Rumpf des Bootes und lenken so den Blick auf das Neugeborene.

Den Rundgang beendete die Betrachtung eines weiteren Werkes der Makonde. Die nach ihrer Form „Ypsilon-Krippe“ genannte Bildhauerarbeit strahlt Ruhe aus. Der senkrecht aufgestellte Ebenholzstamm gibt die Komposition vor, die sich auf vier Figuren konzentriert und dadurch an Ausdruckskraft gewinnt. Ein Engel weist mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Heilige Familie, die sich eng aneinander schmiegt und ganz für sich ist. Maria und Josef schauen ernst und demütig auf das Jesuskind und umfassen es schützend. Fast hat man das Gefühl zu stören, aber die Schönheit der Figuren und die meditative Ausstrahlung der Gruppe sind berührend und laden zu einem Innehalten ein.

Wen eine vermeintliche Odyssee von der Besichtigung abgehalten haben sollte, dem sei versichert: Der Münchner Verkehrsverbund sorgt für eine bequeme Anfahrt nach Schleißheim. Besuchen Sie diese wirklich sehenswerte Sammlung und ent­decken Sie weitere göttliche Funken!

 

10 Jahre NYMPHENBURGER GESPRÄCHE

von Stefan Jakob Wimmer

Es war Isa Güzel, damals Vorsitzender von IDIZEM, der die Idee hatte, eine gemeinsame Plattform für Dialogveranstaltungen in München zu gründen, und er hatte auch gleich einen attraktiv klingenden Namen dafür parat: „Nymphen­burger Gespräche“. Für seine Idee gewann er Pfarrerin Jutta Höcht-Stöhr von der Evange­lischen Stadtakademie; Dr. Margret Spohn von der Stelle für inter­kulturelle Arbeit der LH München (inzwischen ist ihr Nachfolger Matthias von Sarnowski im Team); Prof. Dr. Stephan Leimgruber vom Lehrstuhl für Religions­pädagogik der LMU, seit 2014 pensioniert und in der Schweiz); Dr. Klaus-Josef Notz von der Münchner Volkshochschule († 2013); Ralph Deja von Pax Christi; Dr. Stefan Jakob Wimmer von den Freunden Abrahams; sowie die weiteren IDIZEM-Vertreter Bayram Türksezer und Mehmed Celik (inzwischen Vor­sitzen­der von IDIZEM; Isa Güzel lebt heute nicht mehr in München; Mehmet Pekince ist im Team dazu gestoßen). Dass es gelang, Herzog Franz von Bayern – Seine Königliche Hoheit, wie man in Bayern gerne sagt, denn er ist direkter Nachkomme des letzten Königs und Chef des Hauses Wittelsbach – für die Schirmherrschaft der Nymphenburger Gespräche zu gewinnen, war ein großartiger Erfolg – und passt gut zum Namen.

Die ersten Veranstaltungen fanden im Umfeld des Schlosses statt: Auftakt war am 13.11.2007 mit dem damaligen Landtagspräsidenten Alois Glück in Räumen der Schweisfurth-Stiftung (Schlossrondell). Im Hubertussaal war der damalige Großmufti von Sarajewo Mustafa Cerić eingeladen, der promi­nenteste Vertreter der in Europa angestammten Muslime. „Nymphenburger Gespräche“ fanden häufig auch an zen­tra­leren Orten statt, wie im Rathaussaal am Marienplatz oder im Hauptgebäude der LMU. In der Residenz wurde zum fünfjährigen Jubiläum ein Symposium „Musli­mi­scher Aufbruch“ zur sog. Gülen-Bewegung veranstaltet (noch ohne zu ahnen, welch aberwitzige Verfolgung auf sie zukommen würde). Unter unseren insgesamt rund 70 ReferentInnen über die Jahre sind Namen von Politikern und Diplomaten zu finden wie Cem Özdemir (GRÜNE), Ruprecht Polenz (CDU), Alexander Radwan (CSU), Eric Nelson (Generalkonsul der USA), Jacob Finzi (Präsident der Jüdischen Gemeinde von Sarajewo und bosnischer Botschafter in der Schweiz), von Journalisten wie Jörg Lau (Die Zeit), Dirk Ippen (Münchner Merkur u.v.a.), Matthias Drobinski und Tim Neshitov (SZ), von SchriftstellerInnen wie Navid Kermani, Nina Gorelik, Ilja Trojanov, Lamya Kaddor und die Pianistin Aylin Aykan in der Portraitreihe „Die Neuen Gesichter Deutschlands“ (2014-16). Zur Landtagswahl 2013 befragten wir im Künstlerhaus ein Podium mit den Spitzenkandidaten zu „Migration, Integration und Willkommenskultur“ – auch ein Thema, das an Relevanz noch unerwartet stark zunehmen sollte. Für die SPD kandidierte Christian Ude, dessen Amtszeit als Münchner Oberbürger­meister nach 21 Jahren zu Ende ging. Vor zehn Jahren hatte er ein Grußwort für die Nymphenburger Gespräche beigesteuert.

Zum zehn­jährigen Jubiläum war nun wieder Christian Ude eingeladen, um in der Hochschule für Philosophie am 4.12.2017 zu seinem kontrovers dis­ku­tierten Buch „Die Alternative oder: Macht endlich Politik!“ im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Freunde Abrahams Stellung zu beziehen. Damit startet die Reihe „Diskurskultur in Deutschland“, die 2018 fortgesetzt wird, und die Nymphenburger Gespräche können – mit Blick auf die ersten zehn Jahre und mit ein bisschen Stolz – dafür bürgen, dass sie auch künftig relevante Themen und interessante ReferentInnen zum interkulturellen Dialog bieten werden.

(Geplante Veranstaltungen und ein Archiv mit allen zurückliegen­den Aktivitäten sind zu finden auf www.nymphenburger-gespraeche.de)

10Jahre NyG: Alt-OB Ude und Prof. S. J. Wimmer

 

 

 

„Demokratie stärken durch offene Debatten“: Alt-OB Christian Ude und Prof. Stefan J. Wimmer, 4.12.2018 (Foto IDIZEM)

 


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Aus München und Umgebung

Münchner Forum für Islam: Fensterscheibe eingeworfen!

Das kleine Haus in der Hotterstraße, in dem sich der vorläufige Sitz des Münchner Forums für Islam (MFI) befindet, ist vielen Freunden Abrahams gut bekannt. Der Vorsitzende des MFI Imam Dr. Benjamin Idriz ist Kuratoriums­mitglied. In Freundschaft und Solidarität mit dem MFI geben wir hier den vollen Wortlaut der Presseerklärung des MFI-Vorstands vom 9.12.2017 wieder:

In der Nacht von Freitag auf Samstag, 8./9.12.2017, wurde im Münchner Forum für Islam in der Münchner Altstadt eine Fensterscheibe eingeworfen. Der Imam Belmin Mehić fand den Schaden am Samstagmorgen vor, als er das Gebäude öffnete. Zum Zeitpunkt der Tat befand sich niemand im Gebäude. Es wurde Anzeige gegen unbekannt erstattet.

Das Münchner Forum für Islam (MFI) betreibt in der Hotterstraße eine Geschäfts­stelle mit einer öffentlich viel besuchten, kleinen Kantine mit türkischer Küche. Im Obergeschoß befindet sich ein Gebetsraum – die einzige Moschee in Münchens Stadtmitte. (Wegen regelmäßiger Überfüllung finden dort seit einigen Monaten keine öffentlichen Gebete mehr statt.) Das Gebäude befindet sich zwischen dem traditionsreichen Haus „Hundskugel“ (das heute eine sozial wohltätige Stiftung beherbergt) und dem „Museum of Urban and Contemporary Art (MUCA)“ und ist von außen deutlich als islamische Einrichtung zu erkennen.

Das MFI bemüht sich seit Jahren unter Leitung seines Initiators, des als „Penzberger Imam“ bekannten Dr. Benjamin Idriz, um ein der Weltstadt München angemes­se­nes, repräsentatives bauliches Zentrum, das den Islam als Religion sichtbar machen will, die mit den Werten und Normen im Europa des 21. Jahrhunderts uneinge­schränkt harmoniert.

Imam Idriz und das MFI treten engagiert gegen Missbrauch des Islam durch Funda­mentalismus und Terror auf und sind gleichzeitig seit vielen Jahren Zielscheibe islamfeindlicher Strömungen und deren Hetzpropaganda. Auch Übergriffe auf das Gebäude sind vor dem Anschlag gestern Nacht schon mehrfach vorgefallen. So wurde die Fassade mit Eiern beworfen, in den Briefkasten wurde Schweinefleisch geworfen, von islamfeindlichen Zuschriften und Aufklebern am Gebäude ganz ab­ge­sehen. „Pegida“ hält regelmäßig islamfeindliche Kundgebungen am Marienplatz ab, wenige Gehminuten vom MFI entfernt. Vor wenigen Tagen erst wurde ein füh­render Münchner Agitator, der vom Verfassungsschutz als islamfeindlich eingestuft wird, vom Landgericht München vom Vorwurf der Beschimpfung von Religionsge­mein­schaften freigesprochen. Das Urteil wurde auf dem islamfeindlichen Internet­blog „PI-news“ als „wegweisend für gesamte islamkritische Bewegung“ gefeiert.

Unterstützt wird das MFI von einem Kuratorium, dem unter Vorsitz von Alt-OB Christian Ude namhafte Mitglieder wie der ehemalige Landtagspräsident Alois Glück und der evangelisch-lutherische Landesbischof Bedford-Strohm angehören. Stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums sind Rabbiner Steven Langnas, der griech.-orth. Erzpriester Apostolos Malamoussis und Pfarrerin Jutta Höcht-Stöhr.

„Gegen jeden Antisemitismus!“

Zu einer Resolution des Münchner Stadtrats

von Stefan Jakob Wimmer

Die Vollversammlung des Münchner Stadtrats hat am 13.12.2017 eine Resolution mit der Bezeichnung „Gegen jeden Antisemitismus! – Keine Zusammenarbeit mit der antisemitischen BDS-Bewegung (‚boykott, divestment and sanctions‘)“ beschlos­sen. Wie der Titelzusatz zeigt, geht es dabei darum, der internationalen Kampagne oder Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“, die „den Staat Israel wirt­schaft­lich, kulturell und politisch isolieren möchte“ (Wikipedia), jede städtische Unter­­stützung zu verweigern, sowie darum, die BDS-Bewegung als „anti­semitisch“ einzustufen.

Die Gesellschaft Freunde Abrahams kooperiert gern und eng mit israelischen wie mit anderen WissenschaftlerInnen und sieht darin einen zentralen Teil des eigenen Selbstverständnisses. Die Gesellschaft Freunde Abrahams kann also die BDS-Kampagne/-Bewegung nicht unterstützen und ihr nicht nahe stehen.

Wir begrüßen aber ausdrücklich den gewaltfreien Ansatz, und wir teilen mit vielen Palästinensern, Israelis, Juden, Christen, Muslimen und anderen Menschen weltweit eine wachsende Verzweiflung über die Politik der letzten Regierungen des Staates Israel. Sie trägt zu einer friedlichen Lösung des Konflikts nicht bei und stellt eben dadurch die Existenz des jüdischen Staates selbst infrage.

Zahlreiche UnterstützerInnen von BDS sind selbst Israelis und sehen gerade darin ausdrücklich ein Mittel, die sichere Zukunft Israels zu gewähr­leisten, in Frieden mit den Palästinensern. Einzelne BDS-AktivistInnen und ‑UnterstützerInnen würden offen­bar dem Staat Israel gerne das Existenzrecht absprechen. Diese Position kann aber nicht der Bewegung insgesamt zugeschrieben werden, deren Einstufung als „anti-zionistisch“ international umstritten ist. Erst recht darf eine solche Haltung keinesfalls pauschal auf alle Personen übertragen werden, die BDS unterstützen oder dieser Bewegung in irgendeiner Weise „nahe­stehen“. Wie sich in der Folge der Resolution in München bereits in mehreren Fällen gezeigt hat, führt das zu para­doxen und beklemmenden Diffamierungen von Personen, die für ihren Einsatz für Frieden und Menschenrechte eigentlich Anerkennung und Unterstützung verdienten.

Eine Bewertung der überaus komplexen Fragen zum Nahostkonflikt kommt niemals ohne seriöse Differenzierungen aus. Eine falsche Gleich­setzung „Kritik an der Politik Israels“ = „Israel-Kritik“ = „Kritik an der Existenz des jüdischen Staates“ = „Antisemitismus“ ist an allen Stellen fahrlässig und läuft auf einen verhängnisvollen Missbrauch des Anti­semitismus­begriffs hinaus, der dem Kampf gegen echten Anti­semitismus schadet (siehe Editorial).


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Blick über den Tellerrand

„Grundlage für Frieden ist, die Realität anzuerkennen.“ (Benjamin Netanjahu)

oder: Wer Jerusalem für sich allein beansprucht, wird Jerusalem nicht gerecht

von Stefan Jakob Wimmer

Papst Franziskus rief […] die Nationen dazu auf, sich dafür einzusetzen, „den Status der Stadt zu schützen, wie es die entsprechenden Resolutionen der UNO vorse­hen“. Die laut Völkerrecht geteilte Stadt wird von den Israelis und den Palästinensern gleichermaßen als Hauptstadt beansprucht. „Jerusalem ist eine einzigartige Stadt, heilig für Juden, Christen und Muslime“, erinnerte der Papst, „und sie hat eine besondere Berufung zum Frieden“. Er bete dafür, dass diese Identität „zum Wohl des Heiligen Landes, des Nahen Ostens und der ganzen Welt bewahrt und bestärkt werde“. Es brauche jetzt „Weisheit und Vorsicht, damit keine neuen Elemente der Spannung in einem Weltpanorama entstehen, das jetzt schon gezeichnet ist von so vielen und grausamen Konflikten.“ (Radio Vatikan, 6.12.2017)

Als vor 70 Jahren – am 14. Mai 1948 – der Staat Israel Wirklichkeit wurde, geschah dies auf Grundlage der UN-Resolution 181 vom 29.11.1947 zur Teilung Palästi­nas. Neben einem jüdischen und einem arabischen Staat war darin ein sog. Corpus separatum, ein Territorium unter internationaler Ver­waltung vorgesehen, das die Städte Jerusalem und Betlehem mit ein wenig Umland umfassen sollte. Vorausge­gangen war 30 Jahre zuvor die sog. Balfour-Erklärung, in der der britische Außen­minister die Schaffung einer „nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästi­na“ („the establishment in Palestine of a national home for the Jewish people“) begrüßte, mit der ausdrücklichen „Maßgabe, dass nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaf­ten in Palästina oder die Rechte und den politischen Status der Juden in anderen Ländern in Frage stellen könnte.“

Auf jüdischer Seite reichten die Meinungen von aufrichtiger Akzeptanz des UNO-Teilungsplans und einhelliger Freude über die Verwirklichung des Traums vom Juden­staat, in welchen Grenzen auch immer, bis zum fortgesetzten Anspruch auf das ganze Mandatsgebiet von Palästina in den Grenzen von 1920-23, das auch noch das neu gegründete Königreich Jordanien mit umfasst hatte. Auf arabischer Seite herrschte entschiedene Ablehnung und die vermeintliche Gewissheit, dass mit einem kurzen Krieg das „zionistische Gebilde“ auszulöschen wäre. Das Ergebnis war bekanntlich die Teilung Palästinas in drei Teile: den Staat Israel, einen von Jordanien besetzten Teil (das sog. Westjordan­land) und einen von Ägypten besetzten Teil (den Gazastreifen). Jerusalem wurde für 19 Jahre mitten hindurch geteilt, an der Altstadt­mauer entlang. Die Umsetzung des Corpus separatum wurde von keiner der Seiten verfolgt. Israel schuf im Westteil Jerusalems seine Hauptstadt. Im Zuge der Nakba blieben dort nur wenige arabische Bewohner zurück. Jordanien vertrieb die jüdische Bevölkerung aus der Altstadt, Synagogen wurden zerstört, der Zugang zur Klage­mauer blieb Juden verwehrt.

Mit dem Sechstagekrieg von 1967 wurde mit dem Westjordanland auch der Ostteil Jerusalems israelisch besetzt. Die Stadtgrenzen wurden so gezogen, dass nach Westen hin immer mehr jüdische Vororte ein­geschlossen wurden, nach Osten hin arabische Vororte ausge­schlossen blieben. Dort, an der östlichen Stadtgrenze, die sich de facto mitten durch arabische Wohnviertel zieht, wurde inzwischen eine mons­tröse Sperrmauer errichtet. Zunehmend wird Palästinensern, die in Jerusalem geboren wurden und ange­stammten Familien angehören, ihr „Wohn­recht“ entzo­gen – während jüdische Neueinwanderer in den großen Trabantenstädten im be­setz­ten Ostteil Ver­günstigungen genießen, selbst wenn sie Jerusalem noch nie zuvor betreten hatten.

Seit den sieben Jahren, die ich in den 1980ern und 90ern in Jerusalem lebte, wurde die Stadt verändert. Vor dem Zugang zu meinem damaligen Zimmer, das auf dem Dach eines Hauses am Rand des Armenischen Viertels der Altstadt erbaut ist, mit Blick auf den Ölberg, wurde von jüdischen Nachbarn ein hoher, eiserner Stangen­zaun samt Stacheldraht aufgezogen. Die armeni­schen Bewohner, die nicht infor­miert worden waren, sahen sich bewaffneten Grenzpolizisten gegenüber, als sie die bloße Frage stellen wollten, was denn vor sich gehe. Dieses persönliche Beispiel ist nur eines von unzähligen kleinen Details, über die keine Zeitung und keine Nach­rich­ten­sendung berichten. Jeder, der Jerusalem wirklich kennt, kann davon erzäh­len. Worüber auch weite Teile der jüdisch-israelischen Bevölkerung der Stadt klagen, ist eine massive Expansion des als religiös radikal empfundenen orthodoxen Sektors, der liberale, weltlich und westlich eingestellte Israelis zunehmend in die Defensive und zur Abwanderung aus der Stadt drängt. In den israelischen Regie­rungen hat in den letzten Jahren und Jahr­zehnten eine erschreckende politische Radikalisierung stattgefunden. Strö­mungen, die vor 30 Jahren von einem breiten Konsens der israelischen Gesellschaft mit gutem Grund als rechts­extrem eingestuft und entsprechend ausgegrenzt wurden, werden inzwischen von der Regierung politisch unterstützt, finanziell gefördert und sind selbst an Regierungen beteiligt. Parteien, die früher mit dem bürger­lich-konservativen Spektrum in Europa vergleich­bar waren und längst in Israel tonangebend wurden, stehen dem Politikstil und den inhaltlichen Positionen nach für das, was in Deutschland als populistisch und extre­mis­tisch, rassistisch und gefähr­lich gebrandmarkt werden würde.

Der Chef der jetzigen und mehrerer vorangegangener Regierungen Israels seit der Ermordung von Jitzchak Rabin, Benjamin Netanjahu, unterstützte Donald Trumps Aner­kennung Jerusalems als Hauptstadt Israels mit den Worten: „Grundlage für Frieden ist, die Realität anzuerkennen. (…) Jerusalem ist die Hauptstadt Israels und niemand kann das verneinen.“ Er hat damit vollkommen Recht. Zur Realität gehört der israelische Anspruch, die eigene Hauptstadt selbst zu bestimmen. Zur Realität gehören aber ebenso die Ansprüche der anderen Seite. Zur Realität gehört auch, dass ein Teil der Bevölkerung Jerusalems Israel als Besatzungsmacht erlebt. Zur Realität gehört deren seit Jahrzehnten untragbare Diskriminierung, Entrechtung und Vertreibung. Zur Realität gehört, dass Israel seine politischen Vorstellungen ohne jede Rücksicht auf internatio­nales Recht durchsetzt und Kritik daran gerne als „anti­semitisch“ motiviert stigmatisieren lässt – während jedes Bemühen der Palästinenser, die eigene Realität zur Sprache zu bringen, delegitimiert wird, und zwar gerade auch dann, wenn dafür ausdrücklich gewaltfreie Wege beschritten werden sollen. Alle diese Realitäten gleichermaßen anzuerkennen, ist die Verpflichtung der deutschen und europäischen Politik. Denn, wie Benjamin Netanjahu richtig betont, wäre das die Grundlage für Frieden.

Wenn ich regelmäßig in meine geistige Heimatstadt Jerusalem zurück­kehre, dann erlebe ich dort – trotz allem – immer noch eine Stadt von geradezu über­irdischer Schönheit. Immer noch ist die Vielfalt dieser Stadt so aus­geprägt, dass sie den Ort auf unvergleichliche Weise auszeichnet – auch wenn die Formen des Miteinanders weniger ins Auge springen, als die des Gegen- und vor allem die des Nebeneinanders. Immer noch ist Jerusalem ein Ort, der wie kein anderer auf der Welt einen Platz hat in den Herzen von mehreren Milliarden Menschen rund um den Globus, und das infrage zu stellen wird Politik niemals in der Lage sein. Es kann daher nur eine gemeinsame oder eine internationale Verwaltung Jerusalems dieser Stadt und allen, die sie lieben, gerecht werden. Vielleicht so, wie es schon vor 80 Jahren von den Vereinten Nationen vorgegeben wurde. Auch das ist eine ganz simple Realität, die anzuerkennen Grundlage für den Frieden bleibt.


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Die gute Nachricht

Karl-Josef KuschelHerzlichen Glückwunsch!

Der Vorsitzende des Kuratoriums der Freunde Abrahams, Prof. Dr. Dr. h.c. Karl-Josef Kuschel, feiert am 6. März 2018 seinen 70. Geburtstag. Er war bis zu seiner Pensionierung 2013 Professor und Akademischer Direktor für Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs an der Katholisch-Theo­logischen Fakultät sowie stellvertretender Direktor des Instituts für ökumeni­sche und interreligiöse Forschung der Universität Tübingen.

Wir danken für sein Engagement für die Freunde Abrahams und gratulieren herzlich!

 

Tod des Autors - Brigitte HuttHerzlichen Glückwunsch!

Brigitte Hutt, seit vielen Jahren im Vorstand der Freunde Abrahams engagiert und allen Mitgliedern durch die Redaktion der Abrahams Post und der Rundmails – und vielen auch persönlich – gut bekannt, hat 2017 erstmals einen Roman vorgelegt:
Tod des Autors. Kein Kriminalroman.
Siehe dazu Buchtipp weiter unten.

 

Die übrigen Mitglieder des Vorstands gratulieren herzlich!

 


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Buchtipps

Karl-Josef Kuschel: Im Fluss der Zeit
Hermann Hesse und Bertold Brecht im Dialog mit Buddha, Laotse und Zen

„Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres und Schwächeres als das Wasser. Und doch in der Art, wie es dem Harten zusetzt, kommt nichts ihm gleich“ (Taoteking). Hermann Hesse und Bertolt Brecht sind beide welt­berühmte deutschsprachige Dichter des 20. Jahrhunderts, und sie verbindet – so verschieden Leben und Werk beider auch sind – das Interesse an der geistigen Welt Indiens, Chinas und Japans. Ein Dialog mit den großen Gestalten aus der Welt Asiens, mit Buddha und Laotse, hat sich in beider Werke Ausdruck verschafft. Und beide beherrschen, auch wenn die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen, die besondere Kunst der Anverwandlung des Fremden ins Eigene.

Die spannend zu lesende Studie des Tübinger Literaturexperten eröffnet über­raschende Einblicke in die Kultur- und Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Und sie stellt die Asien-Rezeption beider Stimmen deutscher Weltliteratur vor als eine Lerngeschichte in der Begegnung von Religionen und Kulturen mit Erkenntnisgewinn für heute. Eine Entdeckung, wie Literatur sich als „Lebenskunst“ versteht, mitten im „Fluss der Dinge“. (aus der Verlagsankündigung)

Patmos Verlag Ostfildern 2018, 712 S., ISBN 978-3-84361-042-1, € 55,00

Das Erscheinen ist für Februar 2018 angekündigt. Sieh dazu unsere Buchvor­stellung am 17.4.2018 in der Evangelischen Stadtakademie, siehe Ankündigung.

 

Brigitte Hutt: Tod des Autors. Kein Kriminalroman

Wie gut kennen wir die Menschen, die wir lieben? Als Simon während einer Lesereise unter seltsamen Umständen verstirbt, muss sich seine Witwe Maria dieser Frage stellen. Auf der Suche nach den Hintergründen seines Todes stößt sie auf immer mehr Ungereimtheiten. – Während einer Reise um die ganze Welt schält sich nach und nach nicht nur ein Bild des Toten heraus, sondern viele verschiedene. Die meisten davon sind Maria völlig fremd und rücken ihre Beziehung in ein ganz neues Licht. (aus dem Klappentext des Buches)

Die Autorin ist seit vielen Jahren im Vorstand der Freunde Abrahams engagiert und legt hier ihr Debutwerk vor.

riva (powered by 100 FANS), ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH, München 2017, 332 S., ISBN 978-3-95705-020-5, € 23,49; E-book: 978-3-95708-032-5, € 17,49.

 

Barbara Peveling: Rachid

„Mein Bruder Rachid ist ins Meer gegangen“ – mit diesen Worten beginnt Karims Geschichte im neuen Roman von Barbara Peveling. Karim und Rachid sind in Marseille aufgewachsen. Tunesien, die Heimat ihrer Eltern, kannten sie kaum. … Eine große Erzählung von Liebe, Freundschaft und der Rolle der Erinnerung, aufwühlend, unerwartet und meisterhaft verknüpft mit den aktuellen dramatischen Ereignissen in Frankreich. (aus dem Klappentext des Buches)

Barbara Peveling, Jahrgang 1974, hat 2015 für ihre Dissertation „Zwischen Orient und Okzident: Identität und Differenz nordafrikanischer Juden in Frankreich“ den Manfred-Görg-Juniorpreis erhalten (siehe Manfred Görg-Preis 2018). Sie wuchs im Rheinland auf, hielt sich länger im Nahen Osten auf und lebt mit ihrer Familie in der Pariser Banlieue.

Goldegg Verlag Berlin 2017, 210 S., ISBN 978-3-99060-022-1, € 19,95

 

Juden, Christen, Muslime: Die Kunst des Zusammenlebens

Das Heft 4/2017 der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Welt und Umwelt der Bibel, hg. vom Katholischen Bibelwerk Stuttgart, präsentiert gut verständlich vielfältige Beiträge über die gegenseitige Befruchtung von Juden, Christen und Muslimen im mittelalterlichen Syrien, Mesopotamien, Spanien, Sizilien und verwandte Themen.

Welt und Umwelt der Bibel Nr. 86, 22. Jg., 4. Quartal 2017, ISSN 1431-2379, ISBN 978-3-944766-57-7, € 11,30

 

Blätter Abrahams

Wieder mit ein wenig Verspätung ist Anfang 2018 das Heft 17, 2017, unserer Zeitschrift Blätter Abrahams – Beiträge zum interreligiösen Dialog erschienen. Zum Luther-Jahr hat Landesbischof i.R. Dr. Johannes Friedrich, der 2017 zusammen mit seiner Frau Dorothea Mitglied im Kuratorium der Freunde Abrahams wurde, einen Beitrag über die schwierige Problematik Luther und die Juden beigesteuert. Prof. Dr. Hermann-Josef Stipp, Nachfolger von Manfred Görg am Lehrstuhl für Alttesta­mentliche Theologie der LMU München, setzt sich anhand der Monotheismus-Thesen des Ägyptologen Jan Assmann auf profunde Weise mit dem religions­geschicht­lichen Anliegen der Freunde Abrahams auseinander. Sein Beitrag Monotheismus, Monolatrie, Gewalt und Identität beruht auf einem Vortrag vom 31.1.2017. Prof. Dr. Georg Langenhorst vom Lehrstuhl für Didaktik des Katho­lischen Religions­unterrichts/Religions­pädagogik der Universität Augsburg, Mitglied der Freunde Abrahams, stellt uns den Semesterhauptvortrag vom 4.5.2017 zur Verfügung. Darin stellt er die Frage, inwieweit Abraham als Vorbild inter­religiösen Lernens taugt. Impulse zum Differenzierten Verstehen und sich Verständigen von Christen und Muslimen stellt Prof. Dr. Manfred Riegger zur Diskussion, der 2014 bis 2017 den Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der LMU vertreten hat. Besonders dankbar sind wir, dass wir einen Vortrag dokumentieren dürfen, den Prof. Dr. Ivan Šarčević am 17.2.2017 auf der Burg Rothenfels zum komplexen Verhältnis der Religions­gemeinschaften auf dem Balkan zwischen Ethnonationalismus und Multi­kulturalität gehalten hat. Der Referent ist Professor für Pastoraltheologie und Katechetik an der theologischen Hochschule der Franziskaner in Sarajewo. Der Vorsitzende der Freunde Abrahams Prof. Dr. Stefan Jakob Wimmer steuert den Eröffnungsvortrag zu den 10. Münchner Integrations­tagen vom 3.5.2017 zum Leitthema Religion – Hindernis oder Brücke für das Miteinander? im Eine-Welt-Haus München bei. Wie in jedem Heft der Blätter Abrahams drucken wir einen Beitrag unseres 2012 verstorbenen Gründungs­vorsitzenden Prof. Dr. Dr. Man­fred Görg nach. Seine Überlegungen Der Mensch als königliches Kind zum Verständnis eines viel debattierten Verses aus Psalm 8, der sich – wie so vieles in der Hebräischen Bibel nach Görgs Verständnis – erst vor dem Hintergrund alt­ägyptischer Bildsprache richtig erschließt, sind vor 40 Jahren in der Zeitschrift Biblische Notizen (Heft 3) erstmals erschienen.

Bitte fördern Sie den Fortbestand unserer Zeitschrift Blätter Abrahams!
Auf Wunsch werden Förderer in der Zeitschrift genannt
. Alle siebzehn bisher erschienen Hefte sind einzeln zum Preis von 10,- € bzw. 5,- € (für Mitglieder) oder zusammen für 150,- € bzw. 75,- € (für Mitglieder), zzgl. Versand, erhältlich. Mitglieder erhalten je 1 Exemplar gratis. (Wir bitten um Abholung bei den Veranstaltungen; Zusendung erfolgt auf Wunsch und gegen 2 € Versandkosten.)

 


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