Jüdisches Leben in Galizien und der Bukowina
Die Reise führte durch Polen bis in die West-Ukraine, durch bemerkenswert viele Städte und Städtchen mit großen, regen jüdischen Gemeinden. 8 Synagogen und 119 Betstuben allein in Krakau – nebenbei bemerkt einer Stadt mit überwältigender Kirchendichte und einem flächenmäßig nur recht kleinen jüdischen Viertel: Kasimierz. Auf dem Foto sehen wir das Zentrum von Kasimierz, Impressionen aus Synagogen und vom jüdischen Friedhof.
Was für Erfahrungen! Aber auch: was für Begegnungen! In Lemberg lernten wir Boris Dorfmann (Foto Mitte) kennen, der „sein“ jüdisches Viertel aus dem „ff“ kennt und am liebsten nicht eine einzige Synagoge in der Führung ausgelassen hätte. Hier vor einige Überreste ehemaliger Synagogen, ein jüdisches Restaurant, die baufälige Chassidische Synagoge (im Foto links unten), für deren Erhalt die Freunde Abrahams gern eine Spende geben möchten.
In Czernowitz, ehemals am äußersten Ende der k.u.k. Monarchie, begegneten wir nicht nur Spuren der Dichter Paul Celan und Rose Ausländer – eine ganze Fülle jüdischer Autoren lebte und wirkte hier. Czernowitz: die Stadt, in der Menschen und Bücher leben, die Stadt, die mit Rosen gefegt wird (Foto rechts unten). Nicht zu vergessen das ehemalige chassidische Zentrum des „Wunderrabbis von Zadagora“ (im Foto oben), im 19. Jahrhundert eine Berühmtheit in Europa.
In Drohovyc führte uns Alfred Schreyer (Foto unten), ein Schüler des Autors Bruno Schulz, der uns viel von dessen Leben und Talenten zu berichten wusste, gewürzt mit augenzwinkernden Anekdoten. Dieser Alfred Schreyer führte uns auch noch in den Wald von Bronica: ein großer, dichter, Erholung versprechender Streifen Land. Aber nicht Entspannung war unser Ziel. Herr Schreyer führte uns zu einer Erschießungsstätte und 11 Massengräbern, in denen Tausende toter Juden liegen, unter anderem seine Mutter.
Auf den Spuren jüdischen Lebens fuhren wir. Leben?
In Lemberg oder in Czernowitz leben heute nur noch ca. eineinhalb Tausend Juden, in Krakau kaum 200, die meisten davon sind alte Leute wie Herr Dorfmann und Herr Schreyer, beide Mitte 80. In Oswieçim – das ist uns hier besser bekannt unter dem Namen, den ihm die Deutschen anno 1940 gegeben haben: Auschwitz – lebt heute kein Jude mehr.
Mit jedem Schritt auf den Spuren des jüdischen Lebens taten wir auch einen Schritt auf den Spuren der systematischen Vernichtung dieses Lebens. Ghettos, Konzentrationslager, Erschießungsstätten, Vernichtungslager. Die Asche der fast 1,5 Millionen Juden (wobei die vielen Polen, für die das Lager anfangs eingerichtet wurde, beileibe nicht vergessen werden sollen!), die allein in Auschwitz fabrikmäßig getötet wurden, liegt zu einem großen Teil in Teichen auf dem Gelände des Lagers Auschwitz II, auch bekannt unter dem romantischen Namen Birkenau.
Leben. Das sollten Menschen einander nicht nehmen.