Abrahams Post 36

EDITORIAL:

Der Aufschrei der Anständigen

Bei einem Brandanschlag auf die Israelitische Kultusgemeinde in München werden sieben Menschen getötet! – Ähnlich unfassbar wie das Verbrechen selbst – das sich am 13. Februar zum 50. Mal jährte –, erscheint uns heute die Tatsache, dass es damals nicht nur nicht aufgeklärt, sondern auch aus dem Bewusstsein der Stadt weitgehend verdrängt wurde. Nur wer sich näher mit jüdischem Leben in München beschäftigt, befasste sich damit – bis der Kabarettist Christian Springer nun zum Jahrestag engagiert das überfällige Gedenken anmahnte. Der in seinem beabsichtigten Ausmaß gottlob gescheiterte Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019 (Jom Kippur) hat in Erinnerung gerufen, dass es auch in Deutschland, trotz allem sogar in Deutschland, immer wieder Wahnsinnige gibt, die Menschenhass nicht nur verbreiten, sondern auch in Taten umzusetzen versuchen. Aber neu ist diese Erkenntnis nicht. Sie offenbart auch keine neue Dimension des Judenhasses, sondern – schlimmer! – macht sichtbar, was schon immer da war. Das gilt ähnlich auch für die widerlichen Erfolge der AfD, die in die Parlamente transportiert haben, was mehr oder weniger still gedacht wurde und wird. Der Coup der Unanständigen in Erfurt hat aber auch das gezeigt: dass ein sofortiger, lauter Aufschrei innerhalb und außerhalb der Parteien eben nicht hingenommen hat, was da eingefädelt worden war.

Die eindrucksvollen Demonstrationen z. B. am 10. Oktober und wieder am 24. Januar am St.-Jakobs-Platz, die breiten Bündnisse und die unzähligen Stimmen Einzelner im Alltag sind heute doch lauter und deutlicher als wohl je zuvor. Darin unterscheidet sich die Situation in unserer Zeit ganz essentiell von der vor 80 Jahren und immer noch ganz maßgeblich von der vor 50 Jahren. Wer das Engagement der gar nicht so schweigsamen Mehrheit kleinredet, ihren anhaltenden Aufschrei nicht anerkennt, gibt den Falschen scheinbar recht.

Stefan J. Wimmer


Zurück zur Auswahl


BERICHTE  –  NOTIZEN  –  TIPPS

Zusammen leben – zusammen wachsen

Friedensgebet des Rats der Religionen 2019 – von Brigitte Hutt

Zusammen wachsen – in der Anonymität der Großstadt verliert man oft das Gefühl dafür, was „zusammen“ bedeuten kann. Im Oktober 2019 war es plötzlich da, wenn auch aus traurigem Anlass.

9. Oktober: Jom Kippur, höchster jüdischer Feiertag. Menschen beten allerorts in Synagogen. So auch in Halle, wo ein mutmaßlicher Rechtsextremist versucht, in die Synagoge einzudringen und dort ein Blutbad anzurichten. Nachdem dieses Vorha­ben gescheitert ist, erschießt er eine Passantin und den Gast eines Döner-Imbisses.

10. Oktober: Vor der Münchner Synagoge versammeln sich friedensbewegte Menschen aus Stadt und Region zum jährlichen Friedensgebet des Münchner Rats der Religionen. Lichter werden verteilt, Menschen schauen einander an, freundlicher und direkter als üblich, das Geschehen in Halle ist mehr als präsent auf diesem Platz. Man ist einander nahe im Gedenken, man ist zusammen. Weihbischof Stolberg findet zur Eröffnung bewegende Worte, die das Geschehen um die Haller Synagoge vor die Münchner Synagoge holen. Niemand bleibt unberührt. Als sich die Menge nach einer Stunde des miteinander Betens und Singens zerstreut, sagt eine muslimische Teilnehmerin, die eine weitere Anreise hatte: „Eigentlich wollte ich gar nicht kommen, aber heute musste es einfach sein.“

Zusammen wachsen – es kann gelingen. Aber der Prozess ist fragil und flüchtig. Schon auf dem Weg zu den Verkehrsmitteln war die Stimmung verschwunden, der Alltag hatte die Menschen wieder fest im Griff. Wünschen wir uns, dass wir solche Momente öfter erleben, und vor allem: ohne Attentate zuvor!


Ägypten, das Alte Testament und die Freunde Abrahams
Fachtagung im Ägyptischen Museum 6./7.12.2019

von Stefan Jakob Wimmer

Prof. Dr. Dr. Manfred Görg (1938-2012), der Gründer der Freunde Abrahams, war nicht nur überaus produktiv, was sein eigenes wissenschaftliches Oeuvre betrifft (alle seine Beiträge zusammen gerechnet werden auf über 1500 Titel geschätzt). Er war auch als Herausgeber ein Förderer anderer Fachkolleg*innen, und besonders auch junger Nachwuchswissenschaftler*innen. Lange vor den Blättern Abrahams, die er 2002 zusammen mit dem Autor dieser Zeilen ins Leben rief, gründete er 1976 die Zeitschrift Biblische Notizen. Beiträge zur exegetischen Diskussion (sie wird seit 2004 in Salzburg herausgegeben). Einfach in der Produktion und denkbar preis­günstig zu beziehen, hob sie sich damals ganz bewusst von den gängigen wissen­schaftlichen Fachzeitschriften ab. Die gleichen Überlegungen verfolgte Görg dann auch, als er 1979 eine neue Fachbuchreihe unter dem Titel Ägypten und das Alte Testament – Studien zu Geschichte, Kultur und Religion Ägyptens und des Alten Testaments herausgab. Der erste Band war seinem Lehrer, dem Ägyptologen Elmar Edel, als Festschrift zum 65. Geburtstag gewidmet. Auf der Titelseite steht das Datum „12.3.1979“.

Bis zu Görgs Tod 2012 erschienen rund 80 Titel in der ÄAT-Reihe. Er selbst stellte das markante, kräftig orangefarbige Erscheinungsbild der Bände behutsam auf Hardcover-Umschläge um, und inzwischen wurde die Gestaltung nach Verlags­wechseln weiterentwickelt. Dabei ist die Intention, an den von Görg eingeführten Essentials der Reihe festzuhalten: Die Bücher sollen auch nach heutigen, veränder­ten Maßstäben ein leicht zugängliches und kostengünstig erhältliches Medium bieten für eine unkomplizierte und niederschwellige Veröffentlichung der Arbeiten von etablierten Ägyptologen, Theologen und Archäologen genauso wie von jungen Nachwuchswissenschaftlern.

Herausgegeben wird die Reihe ÄAT heute von Stefan Jakob Wimmer als Ägyptologe und Wolfgang Zwickel (Uni Mainz) als Theologe und Biblischer Archäologe, und bald kann der 100. Band erscheinen. Wir beide sahen darin Grund genug, das 40-jährige Bestehen der Reihe – eine gehaltvolle biblische Zahl – zu feiern, und richteten am 6. und 7. Dezember 2019 eine Fachtagung mit dem Titel „Ägypten und Altes Testament“ aus. Sie konnte im Auditorium des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst stattfinden und wurde unterstützt von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, von der Münchener Universitätsgesellschaft, vom Collegium Aegyptium und (natürlich) von den Freunden Abrahams. Vierzehn Referent*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz referierten über ihre Forschungen, und ihre Vorträge sollen noch in diesem Jahr als ÄAT-Band 100 erscheinen.

Die Zuhörer*innen kamen aus den einschlägigen Uni-Instituten, aber – bemerkens­werterweise – waren auch viele Mitglieder der Freunde Abrahams dabei. Für ein akademisches Symposium zum Austausch unter Fachkollegen war dies keine Selbstverständlichkeit – trug zum Erfolg der Tagung aber bei und hoffentlich auch zum Wissensgewinn aller. Es ist ja in der Tat so, dass sich die Freunde Abrahams laut Satzung als wissenschaftliche Gesellschaft verstehen, mit religionsgeschicht­licher Forschung ebenso als Vereinszweck wie dem interreligiösen Dialog.

Manfred Görgs ureigenes akademisches Anliegen gründete in der Überzeugung, dass das AT, die Hebräische Bibel, nicht zu verstehen ist ohne den Kontext der kontinuier­lichen Auseinandersetzung Israels mit Ägypten. In der theologischen Forschung und Ausbildung wird das bis heute nicht mit der Gewichtung wahr­genommen wie es diesem sehr zentralen Sachverhalt angemessen wäre – und in der Ägyptologie auch nicht. Hier auch im Sinne von Manfred Görg weiter zu wirken, ist eine Kernaufgabe der Freunde Abrahams.


Häuser der Religionen – Visionen. Formate. Erfahrungen

Ein Abend im Alten Rathaussaalvon Judith Einsiedel

In München soll ein Haus der Kulturen und Religionen entstehen (vgl. dazu auch unten den Bericht über den Abendvortrag von Prof. Martin Rötting). Um dieses Vorhaben in der Stadtgesellschaft und in den Medien bekannter zu machen und über den eigenen Tellerrand auf andere erfolgreiche Projekte zu blicken, fand am 23. Okto­ber 2019 im Alten Rathaussaal ein informativer Abend statt. Tags darauf gab es in den Räumen der Evangelischen Stadtakademie sogar noch eine ganz­tägige Tagung zur inhaltlichen Vertiefung.

Der Abend im Rathaussaal bestand aus zwei Teilen. Zunächst konnte man wie auf einem Markt der Möglichkeiten im Saal umhergehen, sich informieren und ins Gespräch kommen. An verschiedenen Stellen des Saals präsentierten sich an Infoständen die Häuser der Religionen aus Bern, Stuttgart und Berlin, London, New York und Taipei (Taiwan). Ganz unterschiedliche Projekte mit unterschiedlichen Ansätzen und zum Teil selbst noch in der Planungsphase konnten dort erlebt werden. Eindrücklich wurde klar: Der Wunsch nach multireligiösen Räumen der Begegnung und Zusammenarbeit ist ein weltweites Phänomen, und wir befinden uns mit dem Münchner Projekt in guter Gesellschaft.

Im zweiten Teil des Abends stellten die jeweiligen Gäste aus den anderen Städten mit viel Engagement und Leidenschaft ihr jeweiliges Projekt auf dem Podium vor. Grußworte kamen von den zahlreichen Kooperationspartnern der Veranstaltung: der Landeshauptstadt München, dem Erzbischöflichen Ordinariat, der Evangeli­schen Stadtakademie und den Vereinen Occurso sowie Haus der Kulturen und Religionen e. V. Die Vielfalt der deutschen und internationalen Initiativen, das große Engagement sowie die gute Vernetzung der Münchner Organisatoren und das zahlreiche Publikum haben den Abend zu einem erfolgreichen Auftakt für weitere Schritte der Planung gemacht. Möge ein Haus der Kulturen und Religionen auch in München gedeihen und die Stadtgesellschaft und Gäste bereichern!


Haus der Kulturen und Religionen – ein Gewinn für München

Zum Vortrag von Prof. Martin Rötting am 7.2.2020 von Brigitte Hutt

Mit dem Schließen eines interkulturellen Studentenwohnheims, des Johannes-Kollegs, liebevoll JoKo genannt, fing es an. Die Jetzt-Gemeinschaft, bestehend aus Dominika­ne­rinnen sowie Steyler Schwestern und Brüdern, die dieses Wohnheim mit viel interna­ti­onalem Fingerspitzengefühl geführt hatten, suchte nach einer neuen, ähnlichen Aufga­be. Martin Rötting, bis vor kurzem in München tätig mit Schwer­punkt auf inter­kul­tu­reller und interreligiöser Arbeit, Rabbiner Steven Langnas, dessen Herzens­wunsch ein religionsübergreifendes Abrahamisches Lehrhaus ist, und ein großes Netzwerk von weiteren dialoginteressierten, ja, dialogbesessenen Münch­­­nern gehen noch weiter. Sie möchten ein Projekt ins Leben rufen, das auf drei Säulen ruht: ein interreligiöser Studiengang, ein internationales Wohnheim, Erwach­se­nen­­bildung und ein Begegnungs- und Gebetszentrum der multireligiösen Erfahrung. Sie halten das für einen Weg, der in der heutigen diversifizierten Gesellschaft für alle Religionen ein notwendiger ist, um ihren Sitz im Leben zu behalten und zu erneuern. Nicht um Synkretismus geht es, sondern um Begegnung und daraus folgendes Verstehen, um einen Weg des Miteinanders in Respekt und Achtung voreinander. Eindrucksvoll berichtete Martin Rötting, heute in interreligiöser Forschung in Salz­burg tätig, von seinen Recherchen in anderen vergleichbaren Projekten (vgl. Bericht zur Tagung im Rathaus) und den immer konkreter werdenden Plänen des Vereins „Haus der Kulturen und Religionen München“ (vgl.hdkrm.org). Am Ende des Abends war deutlich, dass das „hdkrm“ ein Gewinn für die Stadtkultur werden kann, denn die darin Lernenden und Wohnenden werden in Gemeinden und Institutionen hineinwirken. Wenn es gelingt. Noch steht die Finanzierung nicht, und die Standortent­scheidung wird nur langsam konkreter. Aber auch die Stadt selbst befürwortet und unterstützt das Projekt. Hoffen wir, dass wir in einem Jahr Konkreteres an dieser Stelle berichten können!


Zurück zur Auswahl


Unfrieden um die Friedenskonferenz

von Stefan Jakob Wimmer

Seit vielen Jahren ist es schon fast eine der vielen Traditionen des Münchner Jahreskreises: Wenn Anfang Februar die 2008 aus einer „Wehrkundetagung“ erwachsene sog. „Münchner Sicherheitskonferenz“ stattfindet, tritt als „inhaltliche Alternativveranstaltung“ (nach eigener Definition) die „Internationale Münchner Friedenskonferenz“ in Erscheinung – wiewohl mit sehr, sehr viel weniger Mitteln ausgestattet und somit sehr, sehr viel weniger beachtet. Hier werden Wege und vielleicht auch Utopien diskutiert, wie Frieden und Sicherheit mit anderen Mitteln zu erreichen sein könnten, als diejenigen, aus denen die Politiker und Militärs der SiKo keinen Ausweg finden (oder suchen). In der Regel zum Abschluss der Friedenskon­ferenz findet regelmäßig ein Friedensgebet der Religionen statt, bei dem schon seit den Zeiten von Manfred Görg die Freunde Abrahams mit eingebunden sind. Görgs „interreligiöses Bekenntnis“ wird dort zum Abschluss gesprochen und ist sogar jüngst von der das Gebet begleitenden Musikgruppe „Kontra-Ensemble“ vertont worden. Vom Friedensgebet berichten wir regelmäßig hier in der Abrahams Post. Die Friedenskonferenz selbst wird von einem Trägerkreis ausgerichtet, dem u. a. die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen LV Bayern, Pax Christi im Erzbistum München und Freising, der Kreisjugendring München Stadt und der Bund Naturschutz Kreisgruppe München angehören. (Die Freunde Abrahams sind hier nicht involviert.)

Dass das alles auch von der Landeshauptstadt positiv gewertet wird, drückt sich z. B. durch Unterstützung seitens des Kulturreferats aus und dadurch, dass in der Regel ein Mitglied des Stadtrats in Vertretung des Oberbürgermeisters ein Grußwort bei­trägt. Für dieses Jahr wäre Stadtrat Marian Offman damit beauftragt worden. Der machte im vorigen Jahr Schlagzeilen, als er nach Jahrzehnte langer CSU-Mit­glied­schaft zur SPD wechselte. Er ist außerdem als ebenfalls langjähriges Mitglied im Vorstand und zeitweise als Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern prominent. Wer die entsprechenden Vorgänge wahr­nimmt, weiß auch um den außerordentlich engagierten Einsatz von Marian Offman eben nicht nur gegen Antisemitismus, sondern gegen andere Erscheinungsformen gruppen­spe­zifi­­scher Menschenfeindlichkeit, so vor allem auch, wenn Muslime wegen ihrer Reli­gion diskriminiert und verunglimpft werden. U. a. hat Offman sich stark dafür ein­gesetzt, dass Muslime ihre Freitagsgebete aus Mangel an geeigneten Moschee­räumen in verschiedenen, z. B. auch kirchlichen Räumlichkeiten abhalten konnten. Auch wirkt er im Kuratorium des Münchner Forums für Islam mit. Damit hat Offman sich zur Zielscheibe rechtsextremer und islamfeindlicher Hetzer gemacht und erfährt auch aus der eigenen Gemeinde nicht nur Unterstützung. Hierbei und bei anderen Themen war er immer wieder aus Positionen der Stadtrats-CSU mehr oder weniger weit ausge­schert. Marian Offman gehört auch zu jenen, die sich sehr stark für das Zustande­kommen einer Stadtratsresolution eingesetzt haben, mit der in München Veranstaltun­gen verhindert werden, bei der tatsächlich oder auch nur möglicher­weise die internat­io­nale „BDS“-Kampagne thematisiert wird, weil diese entweder gegen die Politik des Staates Israel oder gegen die Existenz des Staates Israel (dieser zentrale Punkt ist heftig umstritten) gerichtet sei. Die meisten „BDS“-Befürworter se­hen in der Kampagne eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten, um sich für die Rechte der Palästinenser einzusetzen. Zu dieser Resolution wurde in der Abrahams Post wiederholt sehr kritisch Stellung genommen (AP 35, AP 33), weil sie in heftig umstrittenen Fragen ohne die nötige Kompetenz in der Israel/Palästina-Thematik pau­schalisiert anstatt zu differenzieren und weil – konträr zu der wichtigen Absicht, gegen Antisemitismus in jeder Form vorzugehen – im Umgang mit der fehl­gestrick­ten Resolution der Anti­semitismus in München effektiv befeuert anstatt bekämpft wird.

Nun meldeten die Medien vor Weihnachten, dass Offman von der Friedens­konferenz „ausgeladen“ worden sei, unter Bezug auf „seine Vergangenheit in der CSU“ und wegen seiner Ablehnung der BDS-Kampagne, die er, so die Befürchtung, in seinem Grußwort wohl zum Thema machen würde. Der Landesausschuss der DFG-VK Bayern stellte dazu klar, dass das Schreiben aus dem Büro des OB ausdrücklich die Formulierung „wenn Sie damit einverstanden sind“ enthielt, was, wenn es ernst gemeint wäre, doch bedeuten würde, dass den Veranstaltern bei der Entscheidung nach einem Vertreter der Stadt Mitsprache zugestanden werden sollte. Somit kann aus deren Sicht keine Rede von einer „Ausladung“ sein. Auch sei nicht die frühere Parteizugehörigkeit Offmans thematisiert worden, sondern die „Positionen der CSU, z. B. Remilitarisierung, Griff nach Atomwaffen, kalter Krieg, Diffamierung der Frie­dens­bewegung“. Die DFG-VK Bayern habe „sich nie zur sog. BDS-Kampagne und zu dem diesbezüglichen Be­schluss des Münchner Stadtrats ge­äußert“. Offman habe aber „wiederholt versucht, Veranstaltungen und Gruppierun­gen, die die Politik Israels kritisch beleuchten, mit dem Vorwurf des ‚Antisemitismus‘ einzuschüchtern und mund­tot zu machen“. Der Trägerkreis habe dann Herrn Offman zu einem Gespräch einge­laden, um „die Wogen zu glätten“, wozu dieser nicht bereit sei.

Bis hierher wäre der Vorgang bedauerlich genug. Elegant formuliert war es unsensi­bel von den Veranstaltern, das Schreiben aus dem OB-Büro nicht einfach dankend zur Kenntnis zu nehmen, wie das offenbar erwartet worden wäre. Das Wirken von Marian Offman hat neben den von den Veranstaltern kritisierten Aspekten eben auch unstrit­tig hoch anerkennenswerte Verdienste, auf die man sich gezielt hätte beziehen können, anstatt den Vorschlag rundheraus abzulehnen.

Die Affäre wurde aber mit einer noch erheblich beunruhigenderen Dimension aufge­laden, indem schon von den ersten Medienberichten an die ablehnende Haltung der Friedenskonferenz auf Marian Offmans jüdische Identität bezogen und damit ganz explizit auf den Vorwurf des Antisemitismus rekurriert wurde! Wer diesen Vorwurf erhebt, weiß, dass er das Schlimmste anspricht, was einer Person oder Institution in Deutschland nachgesagt werden kann. Wer sich das nicht bewusst macht und nicht vollständig zu Ende gedacht mit diesem Vorwurf agiert, trägt dazu bei, dass er entwer­tet und im Gegenzug der Antisemitismus gestärkt wird. Genau das ist aktuell in München immer wieder in erschreckendem Ausmaß zu erleben.

Wenn jede Bewertung des Handelns eines Menschen, seiner politischen Positionen oder Äußerungen damit verknüpft wird, ob die Person jüdisch ist oder nicht, so bedient dies genau die Grundmuster, aus denen sich der Antisemitismus speist. Das müsste doch gerade all denen bewusst gewesen sein, die hier mit dem Antisemitis­mus­vorwurf hantiert haben.

Mitte Januar wurde die für 14.-16. Februar geplante Friedenskonferenz 2020 von den Veranstaltern abgesagt, da man „keine Kapazität, die Friedenskonferenz vorzu­be­rei­ten und gleichzeitig diesen Konflikt für alle zufriedenstellend zu lösen“ habe. Das Friedensgebet fand dennoch am 9.2.2020 statt. Beten geht immer.

(Quellen für die Zitate: Marian Offman als Redner ausgeladen, SZ 23.12.2019; Friedenskonferenz findet nicht statt, SZ 16.1.2020; Richtigstellung zum Artikel „Friedenskonferenz findet nicht statt“, Thomas Rödl, Sprecher der DFG-VK Bayern, 28.1.2020; Medienmitteilung „Antisemitismus-Vorwurf zurücknehmen! […]“ der DFG-VK Bayern v. 21.1.2020; mit Dank an Inge Ammon für die Weiterleitung der letztgenannten Dokumente)


Zurück zur Auswahl


 

Donald löst den Nahostkonflikt

von Stefan Jakob Wimmer

Was wie eine Satire klingt und in der Tat erschreckend ostentative Züge einer Politshow hatte, ist doch beängstigend ernst. Schon kurz nach seiner Wahl zum mäch­tig­sten Mann der Welt erklärte ein Präsident namens Donald mit gelben Haaren und Gehabe und Gerede, die man in einem Kindercomic nicht witzig fände, dass er, als politisches Genie und Deal Maker ohne Beispiel, die endgültige Lösung des Nahost­konflikts herbeiführen werde. Seitdem war Jared Kushner, von dem bisher nicht klar ist, welche Funktion er in der US-amerikanischen Regierung eigentlich innehat, damit beauftragt, die nötigen Details zu Papier zu bringen. Eine Qualifikation – außer der des Schwieger­sohns – hat er immerhin aufzuweisen: Seine Eltern sind seit langem enge Freunde der Netanyahus (laut New York Times erzählte der israelische Premier­minister freudig, dass er schon einmal in Jareds Kinderzimmer in New Jersey über­nachtet habe). Und Fleiß in der Sache ist dem stellvertretenden Genie nicht abzu­sprechen: Der am 28. Januar 2020 im Weißen Haus präsentierte Plan mit dem amt­lichen Titel „Peace to Prosperity: A Vision to Improve the Lives of the Palestinian and Israeli People“ umfasst 181 Seiten.

Wer die Show, bestehend aus je einer halbstündigen Rede des US-Präsidenten und des israelischen Ministerpräsidenten und dann als Schlussmusik „What a wonderful day“, in voller Länge verfolgt hat, hat verstanden, dass hier ein Deal zwischen diesen beiden Männern verkündet wurde, die sich mit Lob und Anerkennung gegenseitig überschüt­teten, und von denen der eine sich (noch) in einem Amtsenthebungs­verfahren befand und der andere am selben Tag wegen Betrugs, Untreue und Bestech­lichkeit im Amt angeklagt wurde. Im Wahlkampfmodus befanden sich beide, und ihre potentiellen Wähler und Unterstützer sehen in dem, was Israel und die USA ohne Beteiligung der betroffenen Palästinenser ausgehandelt haben, in der Tat den „Deal des Jahrhunderts“, als der der Trump-Plan schon seit zwei Jahren angekündigt worden war. Für die israelische Regierung ist er das auch – denn er verspricht die Anerkennung von Jahr­zehnte lang völkerrechtswidrig umgesetzten Tatsachen und das in einem Ausmaß, wie sich das kein noch so rechtsgerichteter israelischer Premier ohne Trump als Präsident je hätte erhoffen können. Weniger rechtsgerichtete Israelis – sie gibt es noch immer und wird es immer geben, wiewohl ihre Stimmen (vor allem außerhalb Israels) immer mehr zum Schweigen gebracht werden – verstehen den Plan als einen Anschlag nicht nur auf die Palästinenser, sondern vor allem auch auf sie selbst und auf alle, die auf­richtig Frieden in Nahost anstreben. Die niveauhöchste israelische Tageszeitung – so etwas wie in Deutschland SZ, FAZ und ZEIT in einem, wiewohl von der eigenen Regie­rung unter politischem Beschuss und von deren An­hän­gern gerne marginalisiert und diskreditiert – titelte am nächsten Tag: „Trump’s Plan is Ludicrous, Dangerous and Onesided“, „Trump’s Mideast Plan Is a Recipe for War, Not Peace“ und stellte fest, der Plan „was written with the clear intention of getting the Palestinians to reject it.“

Nachdem die damals von der PLO repräsentierten Palästinenser schon 1988 den Staat Israel anerkannt haben und mit den Oslo-Verträgen 1993 auf 77 Prozent ihres Landes verzichteten, hätten sie jetzt als möglicherweise „letzte Chance“ (Trump) die Wahl, den Plan bedingungslos zu akzeptieren. Dann, so Netanyahu wörtlich („wenn sie alle Bedingungen akzeptieren“), „wird Israel bereit sein, über Frieden zu verhan­deln.“ Den Palästinensern kommt im Netanyahu-Trump-Abkommen die Rolle der Eingeborenen zu, denen Glasperlen hingehalten werden. Von ihnen wird offenbar ganz kalkuliert erwartet, dass sie sich widersetzen – damit keine der ihnen scheinbar in Aussicht gestellten Zugeständnisse erfüllt zu werden brauchen, während Netanya­hus Wunschzettel Punkt für Punkt umgesetzt werden soll.

Die Arroganz der Macht manifestiert sich hier in so unverblümt menschenverach­tender Weise, dass man einen Wiedergänger des Kolonialismus des späten 19. Jahr­hunderts auf offener Bühne erlebt – und dazu den Applaus von Menschen, die anschei­nend kein Gespür mehr für die Würde und die grundlegenden Rechte „der anderen“ aufbringen. Das ist es, was uns alle erschrecken muss. Wir alle sind hier ange­sprochen. Denn diese Vorstellung in Washington war eine Schande für die zivili­sierte Welt. Dass sie möglich werden konnte, verweist auch auf das totale Versagen Europas in Nahost.

Natürlich wird das zu noch mehr Gewalt führen, zu noch mehr Bedrohung für den jüdischen Staat, dessen Überleben dadurch ganz gewiss nicht gesichert, sondern noch stärker gefährdet wird. Der 28. Januar 2020 könnte den letzten Nagel in den Sarg einer friedlichen Zukunft für Israelis und Palästinenser geschlagen haben. Diese Perspektive sollten vor allem auch jene an sich heranlassen, die demnächst vermut­lich auch Kritik am „Deal of the Century“ als „israelbezogenen Antisemitismus“ brand­marken wollen.

Dabei wissen alle, dass Frieden machbar ist. Der Oslo-Prozess der 1990er Jahre hat bewiesen, dass beide Seiten zu enormen Zugeständnissen bereit sein können, wenn die Richtigen regieren. Zerschlagen wurde dieser Prozess und seitdem die damit verbun­denen Hoffnungen auf echten Frieden von seinen Gegnern – zu denen sich damals schon Benjamin Netanyahu zählte –, vom islammissbrauchenden Terror der Hamas, der Netanyahu damals zum ersten Mal ins Amt des Ministerpräsidenten spülte, vom Mörder Jizchak Rabins u. v. a. Würde ein Plan von den betroffenen Parteien auf Augenhöhe, unter Achtung der gegenseitigen Rechte, des jeweiligen Vermächtnisses, der Perspektiven darauf, was in Zukunft möglich werden kann, ausgehandelt, unter Begleitung von Garanten, die beiden Seiten gleichermaßen nahe stehen, dann wären Kompromisse möglich, selbst wenn sie sich in manchen Teilen vielleicht nicht weit von dem unterscheiden müssten, was Jared Kushner auf seinen 181 Seiten schreibt. Der Weg dahin würde über die Anerkennung der Palästinen­sischen Autonomiebehörde als Regierung des Staates Palästina führen, als die sie sich selbst bezeichnet. Auch wenn das nur ein Etikett sein mag, das an den Verhältnissen vor Ort zunächst nichts ändert, so könnten dann formal zwei international anerkannte Staaten miteinander Verhandlungen aufnehmen. Wenn uns dieser Gedanke abwegig erscheint, mag das daran liegen, dass wir in Deutschland gar nicht wahrnehmen, dass der Staat Palästina als solcher bereits von 138 der 193 Mitgliedsstaaten der UNO, darunter immerhin 9 der 27 EU-Länder anerkannt wird, sowie vom Vatikan. Eine Bundestagsresolution zur Anerkennung des Staates Palästina wäre die gebotene Antwort auf den „Deal of the Century“ und ein entscheidender nächster Schritt.

 


Zum Anschlag in Hanau möchten wir uns (kurz nach Redaktionsschluss) der Stellungnahme des Münchner Forums für Islam anschließen:

Heute sind wir wieder von Trauer erschüttert über unschuldige Opfer und leiden mit ihren Angehörigen. Den Verletzten an Leib oder Seele wünschen wir, dass sie überwinden können, was ihnen angetan wurde.

Wieder ist Deutschland von einem offenbar rechtsextremistischen Terroranschlag erschüttert worden. Das Ausmaß und die Frequenz des Terrors, nach der Aufdeckung einer rechten Terrorgruppe, die das Land mit Anschlägen auf Muslime in „bürger­kriegsähnliche Zustände“ versetzen wollte, und nach dem Gott-sei-Dank ge­schei­ter­­ten Anschlag in Halle auf eine Synagoge, dem aber andere Unschuldige zum Opfer fielen, muss uns nicht nur erschrecken, sondern das ganze Land zum Umdenken auf­for­dern. Zu lange wurde in Deutschland die Bedrohung gegen uns alle vor allem von Rechts nicht ernst genom­men, wie wir seit NSU wissen. Lange weigerten sich die Behörden, den rechts­terroristischen Anschlag auf Ausländer im Olympia-Einkaufszen­trum als sol­chen zu behandeln. Und gleichzeitig ziehen immer mehr Rechtsextreme in die Rat­häu­ser und Parlamente ein, die gegen Ausländer und Muslime hetzen – während Politiker ebenso immer gerne einen „islamistischen“ oder sogar „islamischen Extremis­mus“ im Munde führen.

Wir müssen uns gegen diese Gefahren, gegen Stimmungsmache und gegen rechts­popu­listische Parteien verbünden. Denn so wie wir wissen, dass nazistische Ideologen und Täter Extremisten darstellen, die in keiner Weise für Deutschland oder die Deutschen stehen, muss ebenso selbstverständlich sein, dass Extremisten, die den Islam missbrauchen, keineswegs für den Islam oder die Muslime stehen. Beides muss unsere gemeinsame Botschaft sein.

Imam Dr. Benjamin Idriz, 20.2.2020


Zurück zur Auswahl


Gute Nachrichten

Naziauftritt verhindert

Wenn der als Gefährder eingestufte Münchner Pegida-Chef Heinz Meier vor der Synagoge und dem Gemeindezentrum der IKG, an einem Freitag (24.1.2020) zu Beginn des Schabbat, für ein „Verbot der Beschneidung von Kindern und Säug­lingen“ demonstrieren möchte, dann versteht jeder, dass sich hier niemand um das Wohl von Kindern sorgt, sondern dass jüdisches Leben in Deutschland ganz provo­kativ in Frage gestellt werden soll (und nebenbei ein „auch Muslime sind hier unerwünscht“ mitsignalisiert wird). Das KVR untersagte die Kundgebung am St.-Jakobs-Platz, musste aber eine Verlegung um einige hundert Meter an die Send­linger Straße anbieten.

Das Bündnis „München ist bunt!“ (dem die Freunde Abrahams nahestehen, wir verbreiteten den Aufruf) mobilisierte in kurzer Zeit – wieder einmal – eine eindrucks­volle Gegenkundgebung, mit dem erfreulichen Ergebnis, dass Pegida die Aktion komplett absagte. OB Reiter: „Das ist ein großer Erfolg für das gesellschaft­liche Engagement unserer Stadtgesellschaft. (…) München ist und bleibt eine offene, tolerante und demokratische Stadtgesellschaft, dafür trete ich, dafür treten wir alle jeden Tag entschieden ein.“

Geht doch! Ggf. zu Wiederholung und Nachahmung empfohlen.

„München leuchtet“ – ein Glückwunsch

Roland Krack ist mindestens im Stadtbezirk 13 ein bekannter Name. Der von ihm gegründete und geleitete Verein „NordOstKultur“ fördert und erforscht die Stadtteilkultur in Bogenhausen, Oberföhring, Daglfing, Denning, Englschalking, Johanneskirchen, Steinhausen und Zamdorf. Dafür wurde ihm am 4.12.2019 die Medaille „München leuchtet – Den Freundinnen und Freunden Münchens“ in Bronze verliehen. Roland Krack ist auch Mitglied der Freunde Abrahams. Wir freuen uns, sind auch ein bisserl stolz und gratulieren ganz herzlich!

Muslime initiieren Abrahamische Charta für Toleranz und Religionsfreiheit

In Abu Dhabi (VAE) wurde am 11. Dezember 2019 vom „Forum zur Förderung des Friedens in muslimischen Gesellschaften“ eine Charta für eine „Neue Werteallianz“ („New Alliance of Virtue“) vorgestellt. Sie war von einigen der angesehensten Islamgelehrten der Welt, von Experten aus Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen mit VertreterInnen anderer Religionen erarbeitet worden. „Die Charta zielt darauf ab, Religionsfreiheit, Zusammenarbeit und Toleranz von reinen Möglichkeiten zu notwendigen ethischen Verpflichtungen und gesetzlichen Pflichten zu erheben, insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Andachtsstätten, da Angriffe auf dieselben die Religionsfreiheit in vielen Teilen der Welt gefährdet haben.“ Sie greift dabei bewusst zurück auf eine ins Mekka des 7. Jahrhunderts zurückreichende Tradition, mit der die Rechte Schwacher und Unschuldiger gegen die Willkür der Mächtigeren verteidigt werden sollten. „Die Charta zielt nicht darauf ab, theologische Differenzen zu überbrücken. Stattdessen werden die Mitglieder auf Grundlage einer gemeinsamen Theologie der von Gott gegebenen Menschenwürde zusammenarbeiten, um zum Wohle aller nach Tugendhaftigkeit zu streben.“

Der vollständige Text der Charta in englischer Sprache ist online einzusehen:
https://gulfnews.com/uae/government/charter-of-new-alliance-of-virtue-read-full-text-1.1576010355082

Zitate nach https://www.businesswire.com/news/home/20191210006122/de/

Die Würde des Menschen ist unantastbar (Art. 1 Grundgesetz der BRD)

Die Münchner Volkshochschule hat im Herbst 2019 einen künstlerisch-literarischen Wettbewerb zum oben genannten Thema ausgeschrieben. Gesucht waren Kombi­na­­tionen von Texten und Bildern. Mit Freude vermelden wir, dass Vorstandsmitglied Brigitte Hutt mit ihrem Beitrag unter den 20 ausgewählten ist, die vom 21. Februar bis 30. April 2020 im 1. Obergeschoss des vhs-Gebäudes Einsteinstraße 28 präsentiert werden sowie außerdem im Rahmen des Web-Blogs „wir gewinnt“.
(https://www.wirgewinnt.blog/wuerde-ist-kein-konjunktiv/)

 


Zurück zur Auswahl


Buchtipps

Bartholomaios I.
Begegnung mit dem Mysterium
Das orthodoxe Christentum von heute verstehen

Diese Buchvorstellung war schon etwas Besonderes: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx besprach die Neuerscheinung, zu der der Ratsvorsitzende der EKD Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm eine Einleitung geliefert hat. Mit dabei der griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland Augoustinos. Die Veranstaltung fand am 24.1.2020 im zur Allerheiligenkirche an der Ungererstraße gehörenden „Kulturzentrum Ökumenischer Patriarch Bartholo­maios I.“ statt, das nach dem Autor des Buches benannt ist. Der ist als Ökume­nischer Patriarch von Konstantinopel primus inter pares, Ehrenoberhaupt, der ortho­doxen Christen weltweit.

Aus seiner Feder, aus dem Englischen übersetzt, ist diese Einführung in die orthodoxe Glaubenslehre, den byzantinischen Gottesdienst und die lebendige Frömmigkeits­praxis der Orthodoxie, für eine nicht-orthodoxe Leserschaft geschrie­ben, beispiellos. Damit verknüpft Bartholomaios zudem die drängenden Fragen nach religiösem Fundamentalismus, nach sozialer Gerechtigkeit und nach dem Klimawandel. Das verleiht dem Werk für uns alle Brisanz und zugleich eine Glaub­würdig­keit, die von der Theologie ausgeht und über sie hinausgreift. Denn auch für sein besonderes Engagement für Umweltbelange ist der „grüne Patriarch“ vielen ein Vorbild.

Ferdinand Schöningh, Paderborn 2019, 199 S., ISBN 978-3-506-70277-7, 39,90 €

 

Norbert Reck:
Der Jude Jesus und die Zukunft des Christentums
Zum Riss zwischen Dogma und Bibel. Ein Lösungsvorschlag

Wenn ein Buch, so wie dieses, „dem Andenken meines Lehrers im Alten Testament, Manfred Görg (1938-2012)“ gewidmet ist, dann dürfen nicht nur Freunde Abrahams (aber die ganz besonders) davon ausgehen, dass sich das Lesen lohnt. Dr. Norbert Reck, der zum Organisatorenteam des Münchner Lehrhauses der Reli­gionen gehört, ist als katholischer Theologe freier Autor und Publizist. Seine Stimme ist Hörern des Bayerischen Rundfunks z. B. aus Kommentaren „Zum Sonntag“ vertraut, seine zahlreichen Veröffentlichungen thematisieren oft das Ver­hält­nis Christen und Juden nach der Schoa.

Mit seinem als Essay verfassten Buch unterbreitet er „Vorschläge, wie die (Wieder‑)Entdeckung des jüdischen Jesus zu einer neuen Zukunft des Christentums führen kann.“ Dabei geht es ihm darum, einen „tiefen Riss (…) zwischen kritischer Bibelwis­senschaft und kirchlicher Lehre, zwischen Weltbejahung und Erlösungs­hoff­nung, zwischen dem jüdischen Jesus und dem Christus der Theologie und der Kirchen“ aufzudecken und Anregungen für die Diskussion zu unterbreiten. In der Verlagsankün­digung heißt es in aller Deutlichkeit: „Das Christentum wird sich ändern (müssen)“. Sie dürfen gespannt sein!

Matthias Grünewald Ostfildern 2019, 189 Seiten, ISBN 978-3-7867-3180-1, 20,- €

 

Ulrike Bechmann:
Abraham und die Anderen
Kritische Untersuchung zur Abraham-Chiffre im interreligiösen Dialog

Auch Ulrike Bechmann, heute Professorin für Religionswissenschaft an der Kath.-theol. Fakultät der Universität Graz, bekennt sich als Schülerin von Manfred Görg, der als Doktorvater ihre Dissertation in Bamberg betreute. Relativ tief in die Vergangenheit reicht auch das jetzt vorgelegte Buch – denn es bringt ihre lange erwartete Habilitationsschrift in Druck. Sie wurde 2004 an der Kulturwissenschaft­lichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommen und 2006 mit dem Augs­burger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Studien ausgezeichnet. Damals schon interessierten sich die Freunde Abrahams für ihre These – wiewohl uns diese provo­kant erscheinen muss: Weil Juden, Christen und Muslime mit der Chiffre Abraham nicht nur Gemeinsamkeiten im Sinn haben, sondern auch durch Unterscheidendes „die eigene Identität definieren“, sei die Frage zu stellen, ob „Abraham“ wirklich die Basis für ein friedliches Miteinander bieten könne. Ihre Antwort fällt ernüchternd aus.

Da ist es ein großer Gewinn, dass mit ihrem Beitrag die Debatte wieder neuen Schwung aufnehmen kann. Denn Manfred Görg und mit ihm die Freunde Abrahams sehen das Ziel des interreligiösen Dialogs eben nicht nur in der Berufung auf Ge­mein­samkeiten, sondern auch im Wahrnehmen und Ernstnehmen – sogar Wert­schätzen – auch der Unterschiede, die zwischen den Religionen bestehen und beste­hen bleiben sollen. Daran wird sich ein friedliches Miteinander zu messen haben. Und grade darum ist die gemeinsame Freundschaft zu Abraham so tragfähig, weil sie für das Verbindende und für das je Eigene stehen kann.

Lit Verlag, Münster 2019, 517 Seiten, ISBN 978-3-8258-9430-6, 24,90 €

 

Blätter Abrahams

Wieder mit ein wenig Verspätung ist Anfang des Jahres das Heft 19, 2019 unserer Zeitschrift Blätter Abrahams – Beiträge zum interreligiösen Dialog erschienen. Es enthält die deutsche Übersetzung eines Konzeptpapiers, mit dem der libanesische Staatspräsident Michel Aoun den Vereinten Nationen eine Akademie für Begegnung und Dialog vorgeschlagen hat. Das Dokument hatte der Präsident einer Reisegruppe der Freunde Abrahams überreicht, als er sie am 25.4.2019 an seinem Amtssitz empfing.

Wie in jedem Heft der Blätter Abrahams wird aus dem überaus reichen wissen­schaftlichen Vermächtnis von Manfred Görg ein Text nachgedruckt. Hier sind es Bemerkungen zur Wortbedeutung von „Tohuwabohu“ aus dem ersten Schöpfungs­bericht des Alten Testaments, dem ägyptische Begrifflichkeit zugrunde liegt.

Von einem Schulversuch zu einem dialogischen Religions- und Ethikunterricht, mit sehr eindrucksvollen Ergebnissen, berichtete Pfarrerin Carolin Simon-Winter aus Offenbach den Freunden Abrahams im Städtischen Gisela-Gymnasium München. Der Thematik war auch ihre Masterarbeit „Standhafte Beweglichkeit“ im Studien­gang Interreligiöser Dialog der Donau-Universität Krems gewidmet, die hier in Kurzfassung wiedergegeben wird.

Auf zwei weitere Vorträge gehen die Beiträge von Stefan Jakob Wimmer zurück. Für das Münchner Lehrhaus der Religionen – einer Initiative von Rabbiner Steven Langnas – referierte er am 23.7.2019 in der LMU zur Bedeutung Jerusalems für den Islam. Noch im Jahr zuvor, am 15.5.2018, stellte er in der Bayerischen Staatsbiblio­thek, wo er als Fachreferent für Hebraica tätig ist, zwei dort neu identifizierte Briefe des namhaften jüdischen Renaissancegelehrten Elias Levita vor. Georg Gafus, Mitherausgeber dieser Zeitschrift, trägt zwei Literaturempfehlungen zu Verständnis und Wissen über das Judentum bei.

Bitte fördern Sie den Fortbestand unserer Zeitschrift Blätter Abrahams! Auf Wunsch werden Förderer in der Zeitschrift genannt. Alle neunzehn erschienenen Hefte sind einzeln zum Preis von 10,- € bzw. 5,- € (für Mitglieder) oder zusammen für 150,- € bzw. 75,- € (für Mitglieder), zzgl. Versand, erhältlich. Mitglieder erhalten je 1 Exemplar gratis. (Wir bitten um Abholung bei den Veranstaltungen; Zusendung erfolgt auf Wunsch und gegen 2 € Versandkosten.)

 


Zurück zur Auswahl


Texte zum Nachdenken – Worte für die Seele

Auf der letzten Seite der ARAHAMS POST wollen wir Ihnen auch künftig Gedichte, Lieder oder kurze Texte zum Nachdenken und für die Seele mitgeben. Für Ihre Anregungen sind wir immer dankbar!

Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass
Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht Verzweiflung
Das Gegenteil von geistiger Gesundheit und von gesundem Menschenverstand ist nicht Wahnsinn
Und das Gegenteil von Erinnerung heißt nicht Vergessen
Sondern es ist nichts anderes als jedes Mal die Gleichgültigkeit.
Elie Wiesel