HERBST/WINTER 2017/18 – Download als pdf
Inhalt
Editorial
Bürgerpreis des Bayerischen Landtags 2017
Berichte zu Veranstaltungen
Aus München und Umgebung
Aus aller Welt
Stimmen über die Freunde Abrahams
Die gute Nachricht
Buchtipps
Veranstaltungskalender
EDITORIAL: #NoTincPor
Nach den islammissbrauchenden Anschlägen von Barcelona und Cambrils zogen Tausende Menschen durch die Straßen und skandierten spontan, beherzt und entschieden: „Ich habe keine Angst!“ – auf Katalanisch geht das in drei rhythmisch deklamierbaren Silben: „No tinc por!“. Freilich spricht einiges dafür, dass auf diese Weise in kollektiver Dynamik abgearbeitet wird, was sich eben doch einschleicht: die Angst, die menschlich ist, wenn etwas Derartiges in nächster Nähe geschieht, das sich jederzeit und überall wiederholen kann.
Die Religionen haben da eine klare Botschaft. Mir fallen die Abschiedsworte ein, mit denen sich Papst Johannes Paul II. kurz vor seinem Tod vor zwölf Jahren zum letzten Mal an die Menschenmenge wandte: „Non avete paura!“, „Habt keine Angst!“. Es ist durchaus kein Monopol des Christentums, dass Gott selbst sich in den Heiligen Schriften immer wieder Menschen mit der Anrede „Fürchtet euch nicht!“ zuwendet. Die Religionen können in unserer Welt, die sich auf scheinbar beängstigende Weise verändert, Halt stiften. Mit Manfred Görg gesprochen heißt „Glauben“ der ägyptischen (>‚mn), hebräischen (>amen) und arabischen (>imân) Wortwurzel nach „Sich-Festmachen“ an Gott. Zwar lässt sich Angst nicht einfach wegdeklamieren, und auch gläubige Menschen dürfen Angst haben. Sie sollen sich aber nicht von Angst leiten lassen. Nicht ihr Glauben, nicht ihr Denken, nicht ihr Tun; nicht ihre Freizeitgestaltung oder ihre Urlaubsplanung und schon gar nicht ihre Offenheit gegenüber anderen Menschen. Das gelingt nicht immer ohne Angst, aber Religionen zeigen: Wo es nicht ohne Angst geht, können wir auch mit und trotz unserer Angst an der Offenheit festhalten, die der Glaube ermöglicht und einfordert.
Stefan J. Wimmer
„Mein Glaube. Dein Glaube. Kein Glaube. – Unser Land!“
Die Freunde Abrahams werden mit dem Bürgerpreis des Bayerischen Landtags 2017 ausgezeichnet
Seit dem Jahr 2000 zeichnet der Bayerische Landtag mit seinem Bürgerpreis jährlich vorbildliches bürgerschaftliches Engagement in Bayern aus. In diesem Jahr stand die Ausschreibung unter dem Motto „Mein Glaube. Dein Glaube. Kein Glaube. – Unser Land! Bürgerschaftliches Engagement und weltanschaulicher Diskurs für eine Gesellschaft des Respekts und der Verständigung“. Das hat uns angesprochen und zu einer Bewerbung ermutigt.
Unter dem Vorsitz von Landtagspräsidentin Barbara Stamm hat die Jury, in der alle Fraktionen des Landtags vertreten sind, einen ersten Preis, zwei zweite Preise, zwei dritte Preise und einen „Sonderpreis“ vergeben. Dass wir unter 104 Bewerbungen zu den Gewinnern zählen, ist nicht nur hocherfreulich, sondern ein besonders wertvolles Zeichen der Anerkennung für unsere Arbeit.
Wie uns aus dem Landtagsamt mitgeteilt wurde, hat die Jury einstimmig dafür votiert, den religionsgeschichtlichen Ansatz der Freunde Abrahams – ein Alleinstellungsmerkmal unter zahlreichen Dialoginitiativen – besonders zu würdigen. In der Pressemitteilung des Landtags (093/17 vom 6.7.2017) heißt es dazu:
Ein Sonderpreis der Jury (5.000 Euro) geht an die Freunde Abrahams e.V. – Gesellschaft für religionsgeschichtliche Forschung und interreligiösen Dialog. Der Verein bemüht sich seit 2001 durch wissenschaftliche Beschäftigung mit Religionsgeschichte, die gemeinsamen Wurzeln der Glaubensvorstellungen von Christen, Juden und Muslimen freizulegen. Die Themen reichen von der Geschichte bis zu aktuellen Fragen der Gegenwart, vom Alten Orient bis zum Alltagsgeschehen im Europa des 21. Jahrhunderts.
Landtagspräsidentin Barbara Stamm schreibt uns dazu:
„Ich freue mich deshalb sehr, dass dem Verein Freunde Abrahams im Rahmen des Bürgerpreises der Sonderpreis zuerkannt wird und gratuliere allen Engagierten sehr herzlich zu dieser Auszeichnung!“
Diese Glückwünsche geben wir sehr gerne an alle unsere Mitglieder weiter!
Die Preisverleihung findet am Donnerstag, 19. Oktober 2017 im Maximilianeum statt und dauert mit Begleitprogramm von 10.30 Uhr bis ca. 16.00 Uhr. Mitglieder sind zur Teilnahme eingeladen – die Plätze sind jedoch begrenzt. Bitte melden Sie Ihr Interesse ggf. rasch an unter info@freunde-abrahams.de oder auf Anrufbeantworter 089/15881260.
Berichte zu Veranstaltungen
Vom Froschkönig zum Kreis der Religionen
Die Freunde Abrahams auf dem Corso Leopold am 20./21.Mai 2017
von Yvonne Baur-Saleh
Wenn im Frühjahr die Leopoldstraße vom Siegestor bis zur Münchner Freiheit ein ganzes Wochenende den Fußgängern gehört, dann sind die Freunde Abrahams dabei. Beim Schwabinger Spektakulum „Corso Leopold“, einem Fest der kulturellen Vielfalt – mit Musik, Kunstinstallationen, Gastronomie, Literatur und dem „Kreis der Religionen“.
15 Münchner Religionsgemeinschaften und religiöse Initiativen, temporär beheimatet in einem Ensemble aus vier weißen Pavillons, formen „eine Insel der Spiritualität und des Friedens“, so Ekkehard Pascoe, Vorsitzender des Vereins Corso e. V. Vom friedensstiftenden Potential der Religionen überzeugt, sind die Freunde Abrahams seit dem ersten Kreis der Religionen im Mai 2015 Teil dieses einzigartigen Projekts, das sich zigtausenden Flaneuren präsentieren darf. Mit der Baha’i-Gemeinde, den Quäkern und dem Bund religiöser Sozialist/innen teilten wir uns einen der Pavillons. Auf unserem Infotisch lagen unsere wissenschaftlichen Publikationen und ein großer Stapel der Abrahams Post für die Passanten bereit, die sich zu einem Gespräch über unsere Arbeit einfanden. Publikumsmagnet und begehrte Sammlerstücke, insbesondere für die jüngsten Corsobesucher, waren die orangefarbenen Luftballons mit dem Vereinslogo und dem Skarabäus.
Regen Anklang fand auch das Bibel-Koran-Quiz: Die Zitate aus den heiligen Schriften sorgten für Gesprächsstoff und forderten theologische Laien, aber auch Fachleute heraus. Interessanterweise bekundeten mehrere Standbesucher ungefragt „mit Religion nichts am Hut zu haben“, um sich dann mit Gott/Mensch-Dialogen zu befassen wie „Rufe zu mir, so will ich dir antworten.“ oder „Dir dienen wir und dich bitten wir um Hilfe!“ Auch ein Trio assyrischer Christen fand sich ein und tüftelte eifrig (und erfolgreich!) an den Quizfragen. Die seltene Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen und bat um eine Rezitation des Vaterunsers auf Aramäisch. Ein beglückender Moment, ebenso wie das kleine Gespräch über Ikonenmalerei mit Vertretern der griechisch-orthodoxen Allerheiligenkirche.
Mit gesungenem Gotteslob trauten sich die ganz kleinen Gemeindemitglieder von St. Ursula unter Leitung von Michael Steinbacher auf die Bühne, und die St. Lukas Gospel Singers, zu denen unser Vorstandsmitglied Judith Fröhlich zählt, schickten Gebete wie „Open the Eyes of my Heart, Lord!“ in den Schwabinger Frühlingshimmel. Kunst, religiöser Gesang und die Rezitation heiliger Texte vermitteln die Schönheit der Religionen und sind auch Vehikel, um sich zu begegnen. Spontan, auf Augenhöhe und in der gemeinsamen Hoffnung, dass sich „die Augen des Herzens öffnen“, im Sinne des Gebets des Gospelchors.
Was ist darüber hinaus möglich, und was kann der Kreis der Religionen bewirken? Sicher gibt es auf diese Fragen vielfältige und kontroverse Antworten, und darüber muss bei den Vorbereitungstreffen der beteiligten Gruppen über das Organisatorische hinaus diskutiert werden. Mit großem Ideenreichtum nimmt Ekkehard Pascoe an diesen Besprechungen unter Leitung von Pfarrer Raabe von der Erlöserkirche teil, mit dem er vor drei Jahren den Kreis der Religionen ins Leben gerufen hatte. Ich habe mich mit ihm zu einem Gespräch getroffen, da mich sein besonderer Blickwinkel interessiert, als Co-Initiator, jedoch nicht Mitglied einer der beteiligten Gruppen.
Zunächst schildert Ekkehard Pascoe auf sehr persönliche Weise seine Erfahrungen mit Gottesbildern: „Ich erinnere mich, wie ich an der Hand meiner Mutter durch das Dorf gegangen bin. Sie redet über Gott, und ich schaue gleichzeitig auf eine Schuhcremewerbung von Erdal, den Frosch mit der Krone. Eine komische Konnotation. Und dann später das nächste Gottesbild bei meiner Konfirmation: Ein alter Mann mit Bart in der Himmelfahrtskirche in Pasing. Das war es schon gar nicht. Heute ist für mich Gott Geist. Da bin ich Hegelianer.“
Philosophie hat er an der LMU studiert, der Visionär, der erfrischend „out of the box“ denkt. Deutlich formuliert er, dass das Miteinandersprechen auch Gefahren berge: „Es gibt ja bei den Religionen überall den Gottesbegriff. Wenn man darüber spricht, dann ist das ein entzweiendes Gespräch.“ – „Manche der am Kreis Beteiligten mögen das anders sehen“, wende ich ein, „trotz ihrer Skepsis fördern Sie jedoch das Projekt mit großem Engagement. Wie kann der Gedankenaustausch also Ihrer Ansicht nach gelingen?“
„Ich ärgere mich immer, wenn vom Humanismus oder vom Humanum geredet wird, weil das historisch nicht stimmt. Der Humanismus ist historisch definiert und im Kontext der christlichen Reformation zu sehen, also zeitbedingt. Wir müssen heute beim Humanum nicht mehr innerkirchlich denken, sondern miteinander sprechen lernen, den Menschen wie aus dem Weltraum betrachten, wenn Menschen sich selber, als Ganzes betrachten und miteinander über sich reden und sprechen in einem gemeinsamen Geist. Über dieses Menschliche reden wir im Kreis der Gleichen, der Religionen – über den einen Geist der Menschheit. Der uns zu Menschen macht.“
Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, nun inspiriert wurden, die Freunde Abrahams beim Kreis der Religionen 2018 zu vertreten, dann kontaktieren Sie uns! Allen, die heuer mitgewirkt haben, besonders auch den St. Lukas Gospel Singers, sagen wir auf diesem Weg ein herzliches „Vergelt’s Gott!“
(Zu den beiden früheren Corsi siehe auch Abrahams Post 2015/16 und 2016/17)
„In diesen heil’gen Hallen …“
Tagesausflug Salzburg interreligiös am 8.7.2017
von Stefan Jakob Wimmer
Die erhoffte Begegnung mit Marco Feingold, dem charismatischen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, hatten wir nicht im Voraus angekündigt. Nicht weil wir gemeint hätten, dass unsere Chancen auf ein Gespräch mit der gefragten Persönlichkeit gering gewesen wären. Brigitte Huemer, die ein Großteil ihres Lebens in Salzburg verbracht hat und das Programm unseres Tagesausflugs entsprechend individuell mitgestaltet hat, ist mit Herrn Feingold gut bekannt. Aber der Überlebende von Auschwitz, Neuengamme, Dachau und Buchenwald wurde noch zu k.u.k.-Zeiten geboren, vor 104 Jahren! Dass wir ihn nun leider nicht treffen konnten, lag schließlich aber nur daran, dass er mit seiner Frau zusammen in Urlaub gefahren war.
Wir konnten Prof. DDr. Gmainer-Pranzl im Zentrum Theologie Interkulturell der Universität, gleich neben dem Festspielhaus, treffen, das er leitet und uns erläuterte. Die Altstadt hatten wir durch einen Spaziergang über den Mönchsberg erreicht, auf dem vor einigen Jahren in Sichtweite der Festung ein eindrucksvoller goldener buddhistischer Stupa errichtet wurde. Prof. Kurt Krammer, Lehrer und Fachinspektor für Buddhistische Religion in Österreich, brachte uns auf kompetente und sympathische Art nahe, was es damit auf sich hat.
Weil die Anreise mit der Bahn mit erheblicher Verspätung verbunden war, musste der Stadtrundgang ein wenig kürzer ausfallen als geplant. Der Erkenntnis, dass Mozart ungefähr so viel Österreicher war, wie der Hl. Nikolaus (geb. im 3. Jh. in Anatolien) ein Türke, musste aber doch einmal nachgegangen werden. Schließlich gehörte das Erzstift Salzburg seit seiner Gründung zum Bayerischen Reichskreis. Dass Salzburg vor 200 Jahren österreichisch wurde, hat Mozart nicht mehr erlebt. Für die Stadt war es aber – Ende gut, alles gut – zweifellos ein Gewinn, wovon wir uns zum Abschluss im Kaffeehaus Sacher genussvoll überzeugen konnten. Mit einem Schüttelreim des Münchners Eugen Roth erklärt: „Kaffee ist, sagt der Röster eich, am besten doch in Österreich!“
Aus München und Umgebung
Münchner Friedensgebete
Als Freunde Abrahams freuen wir uns, dass inzwischen in unserer Stadt mehrfach und regelmäßig VertreterInnen von Judentum, Christentum und Islam und auch anderer Religionen gemeinsam um Frieden beten. Wir engagieren uns hier gerne und rufen auch unsere Mitglieder und Freunde dazu auf, sich zu beteiligen. Mit Blick auf die Weltlage steht leider ganz außer Zweifel, dass solche Gebete nicht oft genug stattfinden können. Damit Sie die aus unserer Sicht wichtigsten dieser Veranstaltungen überblicken können, stellen wir sie hier kurz zusammen:
Im vergangenen Jahr haben die Freunde Abrahams erstmals ein „Abrahamisches Friedensgebet“ veranstaltet. Auf Anregung unserer Kuratorin Delia Dornier-Schlörb findet dieses multireligiöse Gebet von Christen, Muslimen und Juden zum Gedenken an Prof. Manfred Görg und deshalb im terminlichen Umfeld seines Todestages (17.9.2012) statt. Es soll jährlich jeweils in einem anderen Gebets- oder Gotteshaus einer Religion oder Konfession veranstaltet werden. Das nächste „Abrahamische Friedensgebet“ findet am 17.9.2017 in der evangelisch-lutherischen St. Lukaskirche statt – siehe dazu oben Seite 3.
Der 2016 gegründete „Rat der Religionen in München“, dem neben verschiedenen Religionsgemeinschaften auch die Freunde Abrahams angehören (siehe dazu „Abrahams Post“ Hebst/Winter 2016/17, Seite 22) veranstaltet jährlich im Oktober ein Friedensgebet im öffentlichen Raum, in der Fußgängerzone (Neuhauser Straße) vor der Jesuitenkirche St. Michael. In diesem Jahr ist der Termin Montag, 16.10.2017 – siehe dazu oben Seite 9.
Schon seit vielen Jahren findet im Rahmen der Veranstaltungen der „Internationalen Münchner Friedenskonferenz“ auch ein „Friedensgebet der Religionen“ statt. Die Beteiligung daran war Prof. Görg ein Herzensanliegen, und die Freunde Abrahams wirken weiterhin bei diesem Friedensgebet, das jährlich Anfang oder Mitte Februar stattfindet, mit. Die „Internationale Münchner Friedenskonferenz“ setzt einen Gegenakzent zur gleichzeitig stattfindenden, politisch hochkarätigen so genannten „Münchner Sicherheitskonferenz“, indem sie die Gewichtung auf Fragen nach gewaltloser Konfliktlösung lenkt. Der nächste Termin ist Sonntag, 18.2.2018, der Ort steht noch nicht fest.
„Interreligiöse Theologie“ an der LMU
von Judith Fröhlich
Ein Jahr ist es nun her, dass an der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU eine Projektstelle zur „Theologie des interreligiösen Dialogs“ ins Leben gerufen wurde (Gute Nachricht in der Abrahams Post vom Herbst/ Winter 2016) – mit dem Ziel, die inhaltliche Auseinandersetzung mit interreligiösen Themen an der Fakultät zu vertiefen und die Fakultät mit anderen Institutionen der interreligiösen und interkulturellen Begegnung zu vernetzen. Nun ist die Stelle zum 31.8.2017 beendet worden – Zeit, kurz zurückzublicken und zu resümieren.
Nachdem im Januar eine große ‚Denkwerkstatt‘ mit bundesweit (und auch international) anerkannten Theologen der jüdischen, christlichen und islamischen Theologie in den Räumen der LMU stattfinden konnte, ist es umso bedauerlicher zu vermelden, dass der zu Beginn der Projektstelle anvisierte Zusatzstudiengang zum interreligiösen Dialog vorerst nicht verwirklicht werden kann. Immerhin bleibt das Thema an den theologischen Fakultäten weiterhin im Gespräch.
Was hingegen im zurückliegenden Sommersemester verwirklicht werden konnte, war eine interreligiöse Gastvortragsreihe zum Thema „Religiöse Vielfalt als Herausforderung“. Drei Professoren aus den drei abrahamischen Religionen machten sich dabei Gedanken, wie religiöse Vielfalt heute zu deuten ist und wie man gut und gelingend mit ihr umgehen kann.
Dazu sprach im Mai Prof. Perry Schmidt-Leukel aus Münster über „Eine fraktale Interpretation religiöser Vielfalt“. Dabei zeigte er auf, dass bestimmte Grundmuster in allen Religionen auf allen Ebenen sich wiederholen und damit durchaus vergleichbar sind. Vor allem anhand der religiösen Grundkonzeptionen ‚prophetisch‘, ‚mystisch‘ und ‚weisheitlich‘ zeigte sich, dass es einige wenige Haupttypen der Religiosität gibt, die letztlich auf verschiedenen Ebenen immer wiederkehren – und dies nicht nur innerhalb der Religionen selbst, sondern auch innerhalb der Entwicklung und Psyche von religiösen Individuen, die im Laufe ihres Lebens verschiedene Frömmigkeitstypen bzw. Formen von Religiosität durchlaufen können. Im Hinblick auf eine interreligiöse Theologie ist dies insofern von Bedeutung, als dass religiös relevante Konzepte und Wahrheiten der eigenen Tradition auch in anderen Traditionen zu finden sind und dass, wenn man nach Vielfalt und Hybridität innerhalb der eigenen Tradition Ausschau hält, man dies auch interreligiös fruchtbar machen kann. Umgekehrt kann das vertiefte Kennenlernen anderer Religionen dabei helfen, Phänomene im Eigenen zu entdecken und gespiegelt zu bekommen. Dadurch können sich religionsübergreifende Verknüpfungen religiöser Vorstellungen, Erfahrungen und Praktiken ergeben.
Im Juni lauschte das Publikum an der LMU Prof. Mouhanad Khorchides Ausführungen zum „Wertepluralismus als eine (auch innerislamische) Herausforderung für das Zusammenleben der Muslime in einer religiös pluralen Gesellschaft“. Nach einer Einführung in die Entstehung von Werten – wobei er betonte, dass Werte stets in einem gesellschaftlichen Diskurs ausgehandelt werden müssten – kam Khorchide auf den Islam als ein historisch gewachsenes Gebilde zu sprechen. Demnach existiere auch eine innerislamische Vielfalt, die viele Ausprägungen habe. Wenn der Islam aktuell bleiben möchte, so Khorchide, müsse er stets auf derzeitige Strömungen eingehen. Muslime, die dies verweigern würden, träfen Aussagen, die für einen vergangenen Kontext stünden, aber nicht kontextlos für die Gegenwart Geltung besäßen. Der Islam müsse dem Wertepluralismus gerecht werden und immer wieder neu ausdiskutiert werden. Dabei gebe es allerdings unveräußerliche Grundwerte des Zusammenlebens, wie beispielsweise Freiheit, Gleichheit und Solidarität (Brüderlichkeit) oder Partizipation der Bürger in demokratischen Staaten.
Im Juli schließlich war der israelische Professor Israel Yuval von der Hebrew University in Jerusalem in München zu Gast und informierte die Zuhörer darüber, „Was das Judentum dem Christentum verdankt“. Yuval ermöglichte den Zuhörern die Umkehrung der gewohnten Perspektive: Statt das Judentum als Mutterreligion und das Christentum als Tochterreligion zu sehen, bevorzugt Yuval die Metapher von den Schwesterreligionen, die sich zeitgleich in einer parallelen Entwicklung ausdifferenziert und sich dabei gegenseitig beeinflusst und verändert haben. Anhand dreier eindrücklicher Beispiele (mündliche Tradition, Festkreis, Messiaserwartung) zeigte der Referent auf, wo seinen Forschungen zufolge das rabbinische Judentum in seinen theologischen Konzepten auf Entwicklungen im Christentum reagierte, um so gewissermaßen eine Festigung der eigenen Identität gegenüber der zweiten, rivalisierenden monotheistischen Religion zu erzielen. So ließ sich die Zuhörerschaft davon überzeugen, dass nicht nur das Judentum für das Christentum in seiner formativen Phase essentiell gewesen ist, sondern auch das Christentum einen befruchtenden Faktor für den Vorläufer des heutigen Judentums darstellte.
Zum Abschluss des Artikels (und der einjährigen Projektstelle) ist auch noch eine kleine gute Nachricht zu vermelden: Da die interreligiöse Vortragsreihe erfolgreich angenommen wurde und für viel Gesprächsstoff sorgte, soll es im Sommersemester 2018 eine Fortsetzung geben, diesmal zum Thema „Religion und Gewalt“. Es werden aller Voraussicht nach wieder ein jüdischer, ein christlicher und ein muslimischer Professor als Vorträger an der LMU zu Gast sein.
Aus aller Welt
Der Boykott muss aufhören!
Offener Brief an alle, die sich um Israel sorgen
von Stefan Jakob Wimmer
Russland – Türkei – Israel ?
Am Dienstag, 9.5.2017 wurde die Medienlandschaft Israels in einer Weise verändert, wie das in einem Land westlichen Selbstverständnisses nicht denkbar sein sollte.
Die öffentlich-rechtliche Rundfunkbehörde mit dem Sender Kol Israel – „Die Stimme Israels“ –, die lange Zeit für Berichterstattung wie für Unterhaltung im Land und aus dem Land in ikonischer Weise stand, so wie der Bayerische Rundfunk in Bayern oder ARD und ZDF in Deutschland, wurde vom israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu zerschlagen. Ein Gesetz der Knesset plant schon seit längerem, die Rundfunkbehörde durch eine neue Institution zu ersetzen. Die Kontroverse darüber nimmt immer wieder neue Wendungen, auch tagesaktuell. Kritiker sehen darin das Bestreben, die Berichterstattung in Israel der rechtsgerichteten Regierungspolitik unterzuordnen (siehe „We’ve become Russia or Turkey: Israeli journalists protest Netanyahu“, http://www.haaretz.com/israel-news/1.780819, 1.4.2017)
Ohne vorherige Mitteilung wurde dem israelischen Fernsehen am 9.5. nur Stunden vor der Ausstrahlung der allabendlichen Nachrichtensendung Mabat la-hadashot („Blick auf die Nachrichten“) verordnet, dass dies die letzte Ausgabe dieser renommiertesten israelischen Nachrichtensendung zu sein habe. Der Vorgang war nicht anders, als würde die Bundesregierung handstreichartig die Einstellung der „Tagesschau“ anordnen und die ARD (oder das ZDF) zerschlagen, um teilweise angeblich regierungskritische Berichterstattung zu unterbinden.
Ich möchte an alle diejenigen, die Hebräisch verstehen, appellieren, sich die ad-hoc-Debatte, die unmittelbar im Anschluss an die letzte Ausgabe von Mabat ausgestrahlt wurde, in voller Länge anzusehen: http://www.haaretz.com/israel-news/1.788280 (9.5.2017, 18 Min.). Bis zum Ende. Damit Ihnen erlebbar wird, was mit dem Staat Israel geschieht.
Dort finden Entwicklungen statt, die enge Parallelen zur Türkei, zu Russland, Ungarn und demnächst womöglich auch den USA aufweisen. Seit Jahren wird die Regierungspolitik Israels von Rechtspopulisten und –extremisten dominiert, die mit aller Entschlossenheit dabei sind, das Land bis zur Unkenntlichkeit zu verändern.
Gemeinsam gegen Rechtspopulismus und –extremismus. Überall.
Ich selbst war, als ich von 1984 bis 1992 in Israel gelebt und an der Hebräischen Universität studiert und promoviert habe, Teil einer Gesellschaft, in der rechtspopulistische und –extreme Positionen an den Rändern verortet waren und aus dem Selbstverständnis des Staates heraus von der Mitte der Gesellschaft vehement abgelehnt wurden. In meinem Umfeld wurde (schon) damals regelmäßig beklagt, dass von Seiten jüdischer Gemeinden aus der Diaspora häufig einseitig rechtsgerichtete Strömungen und Meinungen in Israel unterstützt werden würden. Die Friedensbewegung erkannte darin – schon vor 30 Jahren – eine gefährliche Parteinahme und Einmischung von Menschen, die nicht in Israel leben. Sie befürchtete – wie sich gezeigt hat, zurecht – dass das anhaltende Verweigern der Rechte der Palästinenser nicht zur Sicherheit Israels beiträgt, sondern dessen Existenz gerade dadurch von immer weiteren Teilen der Welt in Frage gestellt wird.
Das Scheitern des Oslo-Prozesses, an dem der menschenverachtende Terror von „Hamas“ und der völkerrechtswidrige Siedlungsbau ihre jeweiligen Anteile haben, hat letztlich dazu geführt, dass eine wachsende Mehrheit der israelischen Gesellschaft den Perspektiven auf Frieden nicht mehr traut und das Land einer immer stärker rechtsgerichteten Politik überantwortet.
Gerechtigkeit und Frieden
Dennoch lebt in Israel weiterhin eine Zivilgesellschaft, die sich von der aus ihrer Sicht für das eigene Land verheerenden Regierungspolitik abgrenzt und sich für ein menschliches, zukunfts- und überlebensfähiges Gesicht Israels einsetzt. Organisationen wie Shalom Achshav („Peace Now“), Shovrim Shtika („Breaking the Silence“) und B‘Tselem („Im Abbild [Gottes]“) sind im Land und auf internationaler Ebene dafür bekannt. Die nach diplomatischen Konventionen groteske Weigerung von Premierminister Netanyahu, den deutschen Außenminister Gabriel zu empfangen, weil dieser Gespräche mit Vertretern der genannten Gruppen nicht abzusagen bereit war, spricht Bände. In aller Deutlichkeit wurde das in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel zur Sprache gebracht, den 22 Politiker, unter ihnen ein ehemaliger Vorsitzender der Knesset, Diplomaten, ein ehemaliger Generalstaatsanwalt, angesehene Wissenschaftler, Künstler und Journalisten in dieser Sache verfasst haben. In der renommierten Tageszeitung Haaretz wurde er veröffentlicht: http://www.freunde-abrahams.de/wp-content/uploads/2017/05/
LetterMerkelGabriel-Haaretz-5-5-2017.pdf (5.5.2017). Man möchte diesen Worten größtmögliche Verbreitung wünschen, in Israel und in Deutschland.
Unterstützung für Israel!
Man möchte auch wünschen, dass dieses Israel aus Europa und namentlich aus Deutschland engagierte Unterstützung erführe. Stattdessen ist aber zu erleben, dass hier in unserem Umfeld Veranstaltungen, die dieses Gesicht Israels wahrnehmbarer machen würden, unterbunden werden. Regelmäßig führen Interventionen von VertreterInnen Jüdischer Gemeinden dazu, dass solche Veranstaltungen in Frage gestellt werden und/oder sogar abgesagt werden müssen.
Antisemitismus hier?
Die Anklage lautet in der Regel auf Antisemitismus. Es findet jedoch kein Verfahren statt, das diesem sehr schweren Vorwurf nachgehen und eine objektive Urteilsfindung ermöglichen würde. Es findet nicht einmal eine offene Debatte statt. Dass die des Antisemitismus Angeklagten oder besser: Bezichtigten, häufig selbst Jüdinnen oder Juden sind, wird als Einwand nicht zugelassen.
Der Fall Tutzing
Nicht immer machen diese Fälle Schlagzeilen. Wenn eine hochangesehene Institution wie kürzlich die Evangelische Akademie Tutzing betroffen ist, dann berichten die Medien. Was sie zu berichten hatten, war in diesem Fall besonders verstörend. Mehrere bekannte und angesehene Institutionen aus dem Bildungs- und Dialogsektor hatten in der Akademie eine Tagung mit zum Teil hochkarätigen ReferentInnen und einem in sich überzeugenden Programm lange vorbereitet und angekündigt. Wenn eine solche Veranstaltung kurzfristig abgesagt wird, darf eine gut nachvollziehbare Begründung erwartet werden. Dass diese – wie hier geschehen – verweigert wurde und Nachfragen nicht zugelassen werden, hat viele schockiert und befremdet und damit zuerst und unmittelbar das Ansehen der Akademie beschädigt. Dann provoziert dieses Vorgehen zwangsläufig, dass hinter der als vorgeschoben erachteten Begründung andere Vorgänge vermutet werden – nämlich solche, wie sie oben angesprochen wurden. Sollte das zutreffen, träfe die Verantwortung für den entstandenen Schaden die Akademieleitung und diejenigen, die zu ihren Interventionen nicht offen stehen und sie nicht zur Diskussion zu stellen bereit sind.
Oder Antisemitismus dort?
Ist es womöglich nicht eher eine Erscheinungsform von Antisemitismus, wenn diejenigen, die sich in Israel für eine gerechte Friedenslösung einsetzen – und damit für die einzige tragfähige Perspektive auf die langfristige Existenzsicherung des Jüdischen Staates –, boykottiert werden? Nach meiner Überzeugung ist die Frage hier ebenso unangebracht, wie oben.
Die andere Seite
Was ist mit dem Vorwurf, bei der Anprangerung von Menschenrechtsverletzungen werde Israel (gemeint ist: die israelische Regierungspolitik) einseitig attackiert; das palästinensische und arabische (und iranische) Bemühen, den jüdischen Staat zu eliminieren, mit dem Propaganda, Boykott, Hass, Gewalt und Terror einhergingen, komme dabei nicht entsprechend zur Sprache? Als ich in Israel lebte, und seitdem ich eng auch mit der palästinensischen Seite verbunden bin, lernte ich auch diese Seite von innen kennen, habe erfahren und erlebe nach wie vor, dass das alles leider in der Tat erschreckend weit verbreitet ist. In den übrigen arabischen Ländern vielleicht mehr noch als unter Palästinensern selbst – weil dort ausschließlich ein ewiges Feindbild Israel vermittelt wird, während Palästinenser immerhin auch Chancen haben können, neben Entwürdigung, Entrechtung und Gewalt andere Gesichter Israels kennenzulernen: eben auch dort normale Menschen, die sich nach Frieden sehnen. Ein Argument, die Positionen und das Wirken solcher Menschen deshalb nicht auch bei uns zur Sprache bringen zu dürfen, kann ich darin nicht erkennen.
Debattieren statt boykottieren!
In jedem Fall muss die Überzeugung legitim sein, dass das Boykottieren regierungskritischer (auf Israel bezogen) Veranstaltungen dem Staat Israel und seinen Menschen schadet. Wer dieser Überzeugung ist, muss dazu stehen dürfen. Die Debatte darüber ist nicht nur vor dem Gebot der Meinungsfreiheit zulässig, sie ist förderlich, sinnvoll und gut. Niemand verdient dafür stigmatisiert oder disqualifiziert zu werden.
München, 14.5.2017
Prof. Stefan Jakob Wimmer, Ph.D. (Hebr. Univ. Jerusalem)
1. Vorsitzender der Freunde Abrahams e.V.,
Gesellschaft für religionsgeschichtliche Forschung und interreligiösen Dialog
Terror ist Terror ist Terror!
von Stefan Jakob Wimmer
Ein Jahr nachdem der 18-jährige Schüler David alias Ali Sonboly am und im Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen erschoss und die ganze Stadt über lange Stunden in Ausnahmezustand versetzte, wird die Tat offiziell als Amoklauf klassifiziert. Der Täter soll jahrelang von Mitschülern gemobbt worden sein, befand sich in psychiatrischer Behandlung und hatte sich intensiv mit Amokläufen auseinandergesetzt. Er hatte aber auch mit dem Nationalsozialismus sympathisiert, war stolz auf seinen gemeinsamen Geburtstag mit Adolf Hitler und auf seine „arische“ Abstammung als Iraner. Er plante seine Tat nach eigenem Bekunden aus Hass auf Ausländer und wählte dafür als Termin den 22. Juli – den Jahrestag der islamfeindlichen Terroranschläge von Anders Breivik in Norwegen (2012), den er verehrte. Der mutmaßliche Waffenhändler, der ihm die Tatwaffe verschaffte, wird inzwischen verdächtigt, die rechtsextremistische Gesinnung und den Ausländerhass des Täters zu teilen. Dass es sich bei der Tat um einen Amoklauf handelte, steht freilich außer Zweifel. Es kann aber ebenso kein Zweifel bestehen, dass es sich gleichzeitig um einen rechtsextremistischen, ausländer- und islamfeindlichen Terroranschlag gehandelt hat.
Mit den Worten „terror is terror is terror!“ erklärte die britische Premierministerin Margaret Thatcher bei ihrem Israelbesuch 1986 vor dem Hintergrund palästinensischer Anschläge, dass Widerstand gegen Besatzung zwar die Motivation der Täter sein möge, ihr Morden wehrloser Menschen dabei aber dennoch Terror ist und bleibt.
1980 war München Schauplatz des schlimmsten rechtsextremistischen Terroranschlags in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der damalige Ministerpräsident Strauß verdächtigte noch in der Tatnacht Linksextremisten. Weil erhebliche Zweifel an der Einzeltäterschaft des Neonazis Gundolf Köhler nie ausgeräumt werden konnten, wurden die Ermittlungen 34 Jahre nach dem Oktoberfestattentat erneut aufgenommen.
Der Terror des rechtsextremistischen „Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“ blieb lange Zeit unentdeckt, weil die Ermittlungsbehörden „Ausländerkriminalität“ hinter den Morden unterstellten. Es dauerte Jahre, bis der neonazistische Terror als solcher erkannt und benannt wurde.
Wie lange wird es diesmal dauern, bis die bayerischen Behörden akzeptieren werden, dass München am 22.7.2016 erneut Schauplatz eines verheerenden rechtsextremistischen Terroranschlags wurde?
Nachgedanken zu Charlottesville
Wenn aus muslimischen Ländern stammende Täter, denen eine Nähe zur Terrororganisation Da’esh (dem sog. „I.S.“) zugeschrieben wird, oder die während ihrer Verbrechen „Allahu akbar!“ rufen, mit einem Fahrzeug in eine Menschenmenge fahren, dann fragen wir in der Regel nicht danach, ob sie unter besonderen sozialen Verhältnissen zu leiden hatten oder ob psychische Störungen einen Amoklauf motiviert haben könnten. Wir sprechen von so genanntem „islamistischem“ (richtig wäre: den Islam missbrauchendem) Terror.
Wenn am 12.8.2017 ein Adolf Hitler (und Donald Trump) verehrender US-amerikanischer Rassist gezielt in eine Menschenmenge fuhr, dann handelt es sich um einen rechtsextremistischen, neonazistischen, rassistischen Terroranschlag. Die Bilder aus Charlottesville (Virginia) haben uns hasserfüllte Anhänger des Ku-Klux-Klan und andere weiße Rassisten vor Augen geführt, die auf ihrer Kleidung und auf Schildern ostentativ christliche Kreuze zur Schau trugen. Sind wir als Christen deshalb gefordert, uns von deren Hass und Terror ausdrücklich zu distanzieren? Stehen wir als ganz normale Christen unter Generalverdacht, genauso zu denken und deren Tun gut zu heißen, solange wir nicht klar und deutlich erklären, dass wir das nicht tun? Warum aber hören wir dann nicht auf, von ganz normalen Muslimen zu fordern, dass sie sich von den Taten derer, die ihre Religion missbrauchen, distanzieren?
Terror in Katalonien
Wie immer nach islammissbrauchenden Gewalttaten haben Muslime auch nach den Terroranschlägen in Barcelona und Cambrils in klaren Worten Stellung genommen. So veröffentlichte das Münchner Forum für Islam am 18.8.2017 die folgende Stellungnahme:
„Wir Muslime schließen uns den Worten von Bundeskanzlerin Merkel an: ‚Wir sind in Trauer miteinander verbunden. Wir sind genauso verbunden in den Gebeten für die Verletzten in den unterschiedlichen Religionen. Wir sind aber auch verbunden im Kampf gegen diesen Terrorismus. Der Terror kann uns bittere, traurige Stunden bringen – aber besiegen kann er uns nie!‘
Denen, die unschuldige, wehrlose Menschen attackieren oder andere dazu anstiften, das zu tun, rufen wir erneut zu: Ihr erreicht nichts, außer noch mehr Hass und Gewalt auf der Welt zu verbreiten. Ihr seid keine Kämpfer, ihr seid feige Mörder. Ihr habt keinen Gott und keinen Propheten auf eurer Seite. Ihr seid keine Muslime, sondern Feinde des Islam und der Menschen.“
Wir wünschten, dass diese Positionen der ganz normalen Muslime von der Öffentlichkeit und den Medien nicht weniger klar und deutlich zur Kenntnis genommen und verbreitet werden würden, wie die Verbrechen derer, die den Islam missbrauchen.
Stimmen über die Freunde Abrahams
Markus Gottswinter
Nach dem ersten Abrahamischen Friedensgebet, das die Freunde Abrahams im September 2016 in der Ludwigskirche veranstalten durften, schrieb uns Pfarrer Markus Gottswinter, Gastgeber und Mitwirkender der Veranstaltung zum Gedenken an Manfred Görg in St. Ludwig:
„Das gemeinsame Hören und Beten hat mir wieder in den Sinn gebracht, wo unsere Heimat ist – bevor die des Himmels kommt, nämlich in der Welt des antiken Orients. Ich hätte meine Studienzeit viel intensiver nützen sollen, mich mit dem mehr auseinandersetzen, was Prof. Görg uns eben nicht nur vorgelesen, sondern vorgelebt hat.
Was mich besonders beeindruckte, war die so offene Art des Gespräches aller Beteiligten. Es gibt ja Veranstaltungen dieser Art, wo vom ersten Satz an nur Befindlichkeiten unterdrückt werden oder schlicht gelogen wird. Und hier haben alle sagen können, was sie wirklich bewegt und mussten kein politisch korrektes Blatt vor den Mund nehmen.
Ich danke sehr für diese Begegnung mit einer Welt eines echten Dialogs!“
Zum nächsten Abrahamischen Friedensgebet siehe hier….
Karl-Josef Kuschel
Sein neues Buch „Die Bibel im Koran. Grundlagen für das interreligiöse Gespräch“ (Patmos Vlg. 2017, siehe Buchtipp in der Abrahams Post Herbst/Winter 2016/17) widmet unser Kuratoriumsvorsitzender Prof. Dr. Dr. Karl-Josef Kuschel „in Dankbarkeit für jahrelange unermüdliche Vertrauensarbeit zwischen Juden, Christen und Muslimen dem ‚Abrahamischen Forum Deutschland‘ (Darmstadt) und seinem Geschäftsführer Dr. Jürgen Mickisch und der ‚Gesellschaft Freunde Abrahams‘ (München) und ihrem Vorsitzenden Professor Dr. Stefan Jakob Wimmer“.
Eveline Goodman-Thau
Auch diese wertvollen Worte unserer Kuratorin Rabbinerin Prof. Dr. Eveline Goodman-Thau aus Jerusalem möchten wir gern mit unseren Mitgliedern teilen:
„Die Freunde Abrahams sind nicht nur einfach ein ‚Verein‘, sondern wirklich ganz im Sinn von Prof. Görg ‚Freunde‘ der drei monotheistischen Glaubensgemeinschaften.“
Die gute Nachricht
Bürgerpreis für die Freunde Abrahams!
Nach dem Förderpreis „Münchner Lichtblicke“ des Vereins Lichterkette und der Landeshauptstadt München 2006 und dem IDIZEM-Dialogpreis im selben Jahr erhalten die Freunde Abrahams erneut einen renommierten Preis: Der Bayerische Landtag vergibt seinen Bürgerpreis 2017 Initiativen zum interreligiösen Dialog. Ein Sonderpreis geht an die Freunde Abrahams. Ausführliches dazu Seite 15f.
BCJ.Bayern-Studienpreis
Wir freuen uns mit unserem Vorstandsmitglied Judith Fröhlich, dass ihre Diplomarbeit zum Thema „Warum interreligiöser Dialog?“ (siehe auch Vortragsankündigung Seite 3) im BCJ.Bayern-Studienpreis den 1. Platz belegt hat! (Begegnung von Christen und Juden; www.bcj.de)
Fortbildung zum Ramadan – in der Stadtentwässerung
von Stefan Jakob Wimmer
Den für die Kanalisation zuständigen Arbeitern in München den Ramadan erklären? Die Anfrage, die mich im Frühjahr erreichte, war ein wenig überraschend – denn bei der Münchner Stadtentwässerung dürfte ein sehr hoher Anteil der Arbeiter türkischen, albanischen oder anderweitig muslimischen Hintergrund haben. Der Gedanke aus der Chefetage aber war, alle – vor allem auch die Nichtmuslime – einmal darüber zu informieren, was die Kollegen eigentlich in diesem besonderen Monat bewegt, worum es dabei geht und wie das Fasten im Arbeitsalltag aussehen kann.
An zwei Terminen in den Stadtentwässerungsstationen West (Aubing) und Ost (Neuperlach) saß ich also vor orangen Arbeitsanzügen und teilweise verschränkten Armen mit Gesichtern, die erst einmal signalisierten: „Was will der uns denn über unseren Ramadan erzählen?!“ Ein anspruchsvolles und überaus kritisches Publikum – aber die Herausforderung glückte. Am Ende waren alle überrascht, einige vielleicht beeindruckt, was der darüber wusste und wie er es vermittelte, und für die Nichtmuslime kam die Botschaft vermutlich besser an, als wenn ein Imam für die eigene Innensicht geworben hätte.
„Glaube und Arbeit im Kanalbetrieb der Münchner Stadtentwässerung“, daraus soll eine Informationsreihe werden, mit der durch mehr gegenseitiges Verständnis zum guten Miteinander zwischen den Arbeitern beigetragen werden soll. Das nächste Mal wird es um Weihnachten gehen. – Die Anregung dazu ging aus von Yasar Fincan aus der Personalentwicklung – ehemaliger SPD-Stadtrat und selber Alevit (in der Tradition der Aleviten hat der Ramadan keine Bedeutung). – Zur Nachahmung empfohlen!
Buchtipps
Von Abba bis Zorn Gottes
Irrtümer aufklären – das Judentum verstehen
Herausgegeben von Paul Petzl und Norbert Reck
Im Auftrag des Gesprächskreises Juden und Christen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken haben 33 christliche und jüdische WissenschaftlerInnen gemeinsam den anspruchsvollen Versuch unternommen, in klar und kompetent geschriebenen Kurzbeiträgen über stereotype Halbwahrheiten und Irrtümer zum Judentum aufzuklären. Einfühlsam werden 58 Begriffe erklärt, wie zum Beispiel „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, „Beschneidung“, „Messias/Christus“, „Pharisäer“, „Speisegebote“, „Volk Gottes“.
Die anregend verfassten Beiträge verdeutlichen schnell, dass trotz der großen Veränderungen, mit der katholische und evangelische Kirchen ihre Beziehungen zum Judentum neu bestimmt haben, noch längst nicht alle von vielen Jahrhunderten der Feindseligkeit geprägten Zerrbilder überwunden sind.
Im letzten Beitrag zu „Zorn Gottes“ findet sich exemplarisch die Formulierung: „Die Bibel weiß im Alten wie im Neuen Testament um den Willen Gottes, sich in Welt und Geschichte leidenschaftlich für das Wahrwerden seines Willens einzusetzen. Hier ist der Ort, vom Leiden Gottes zu sprechen. Auch der Zorn kann eine Gestalt des Leidens sein, eines Leidens an der Welt, die besser sein könnte, als sie ist. (…) Und anstatt das Alte Testament mit seinem zornigen Gott herabzuwürdigen, könnten wir entdecken, was uns dieser zornige, leidenschaftliche Gott zutraut: die Welt (und damit unser Leben) besser zu machen, wo immer wir sind.“
Die Adressaten des handlichen Buches sind dabei naturgemäß christliche LeserInnen. Aber auch Musliminnen und Muslime, Anders- oder Nichtgläubige werden von der Lektüre profitieren.
Patmos Verlag Ostfildern 2017, 207 S., ISBN 978-3-8436-0887-9, € 10,- (auch als eBook erhältlich)
Und noch ein Tipp:
„Mama’s Küche“!
Das Münchner Forum für Islam (MFI) kennen Sie als bewährten Kooperationspartner der Freunde Abrahams, und vielleicht haben Sie auch an Veranstaltungen in dem kleinen Gebäude in der Münchner Altstadt, direkt neben der „Hundskugel“, in der Hotterstraße teilgenommen, das dem MFI für ein paar Jahre als vorläufiger Sitz dient. Seit diesem Sommer betreiben Mitglieder des MFI tagsüber im Erdgeschoss ein einfaches kleines türkisches Restaurant. Es heißt nicht nur „Mama’s Küche“, sondern bietet auch tatsächlich authentische Kost von türkischen Hausfrauen. Täglich wechselnde Gerichte zu vernünftigen Preisen – bei familiär herzlicher Bedienung – können bei schönem Wetter an gedeckten Tischen im Freien, sonst gemütlich im Inneren genossen werden.
Ein echter Geheimtipp! – den allerdings auch die AZ auf ihren Gastroseiten schon entdeckt und in höchsten Tönen empfohlen hat.
Hotterstr. 16 (keine 10 Min. vom Marienplatz).
Täglich leider nur von 11 bis 15 Uhr.