Zur Plünderung von Bagdad

Das Irakische Nationalmuseum in Bagdad beherbergt – oder beherbergte – eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen materieller Zeugnisse der mesopotamischen Zivilisationen. Sollten die Berichte der vergangenen Tage über das Ausmaß der Plünderungen dieses und weiterer Museen, sowie der Brände der Irakischen Nationalbibliothek und weiterer Bibliotheken, auch nur im Ansatz zutreffen, so wäre der angerichtete Schaden mit einer weitgehenden Zerstörung etwa des Ägyptischen Museums Kairo oder des Griechischen Nationalmuseums Athens, von Teilen der Vatikanischen Museen, der Berliner Museumsinsel, des Louvre, des Britischen Museums oder des Metropolitan Museum in New York vergleichbar.

Die Exzesse sind wohl nur auf dem Hintergrund sozialer und kultureller Zerrüttung in Folge jahrelanger Unterdrückung, und somit als Ergebnis von Diktatur und Embargo zu verstehen. Sie hätten jedoch ohne nennenswerten Aufwand verhindert werden können. Dies wäre die völkerrechtliche Verpflichtung der Kriegsparteien, bzw. der Siegermächte gewesen. George W. Bush und seine Regierung tragen somit nach anerkanntem internationalem Recht die Verantwortung für einen der dramatischsten Verluste an Kulturerbe der Menschheit, der jemals verzeichnet wurde.

Die Äußerungen von Verteidigungsminister Rumsfeld, der die Geschehnisse mit Fußballkrawallen gleichsetzte und hinzu fügte stuff happens‘ (etwa: ‚kann passieren‘), sprechen deutlicher für sich selbst, als jede Kommentierung es vermochte.

Dem wäre hinzu zu fügen, dass dem Verlust unersetzlicher Kulturdenkmäler der an Menschenleben in noch nicht überschautem Ausmaß gegenüber steht, von denen – nach einem Koranwort – jedes einzelne soviel wiegt, wie die ganze Schöpfung.

16.4.2003 Stefan Jakob Wimmer